VwGH: Ausführungen zur Abgabenhaftung gem § 9 BAO und dem Ermessen gem § 20 BAO iVm einer Konkurseröffnung
§ 9 BAO, §§ 80 ff BAO
In seinem Erkenntnis vom 29.03.2007 zur GZ 2005/15/0116 hat sich der VwGH mit der Haftung gem § 9 BAO befasst:
Der Beschwerdeführer wendet ein, der Konkurs über sein Vermögen sei über Antrag des Finanzamtes eröffnet worden. Das Finanzamt sei daher über den Konkurs und über den Zwangsausgleich informiert gewesen. Sollte die Forderung aus dem Haftungsbescheid berechtigt sein, so hätte sie das Finanzamt im Konkurs anmelden sollen. Auf Grund der verspäteten Ausstellung des Haftungsbescheides seien die daraus resultierenden Folgen vom Finanzamt zu tragen. Die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid die Auswirkungen des Zwangsausgleiches des Beschwerdeführers zu Unrecht unberücksichtigt gelassen.
Dazu der VwGH: Der VwGH hat im Erkenntnis vom 23. Jänner 1997, 95/15/0173, ausgesprochen: "Kommt hinsichtlich des Haftenden ein Zwangsausgleich zustande und wurden die Tatbestandserfordernisse für die Entstehung des Haftungsanspruches (Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld beim Abgabenschuldner und eine schuldhafte, für den eingetretenen Schaden ursächliche Pflichtverletzung des Vertreters) vor der Konkurseröffnung verwirklicht, so entspricht es grundsätzlich der nach § 20 BAO im Rahmen der Ermessensübung zu berücksichtigenden Billigkeit, dass sich die Inanspruchnahme betragsmäßig an der Ausgleichsquote orientiert. In diesem Zusammenhang ist es aber der Behörde nicht verwehrt, in ihren Überlegungen allenfalls den Umstand zu berücksichtigen, dass es ihr im Hinblick auf den späteren Zeitpunkt der Feststellbarkeit der Uneinbringlichkeit nicht möglich war, ihre Ansprüche im Insolvenzverfahren zu verfolgen und dabei die entsprechenden Gläubigerrechte (vgl. etwa § 147 KO) wahrzunehmen." Die Geltendmachung einer Haftung ist in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt. Dieses Ermessen umfasst auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens. Weil der angefochtene Bescheid im Rahmen der Begründung des Ermessens nicht iSd Ausführungen des hg Erkenntnisses 95/15/0173 auf den das Vermögen des Beschwerdeführers betreffenden Zwangsausgleich eingeht, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
Nach stRsp ist es Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat. Es hat nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Reichen die liquiden Mittel zur Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht aus, so hat der Vertreter nachzuweisen, dass die vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden, andernfalls haftet der Geschäftsführer für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft. Eine Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers oder einiger Gläubiger stellt somit eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Vertreter dar, sofern dieses Verhalten eine Verkürzung der Abgaben bewirkt hat.
Bei Selbstbemessungsabgaben ist für die Frage, ob die GmbH über Mittel für die Abgabenentrichtung verfügt hat, bereits der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Hat die GmbH in diesem Zeitpunkt über Mittel verfügt, so durfte der Vertreter bei der Tilgung der Schulden Abgabenschulden nicht schlechter stellen als die übrigen Schulden. Die belangte Behörde durfte aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer unstrittig die Forderungen einzelner Gesellschaftsgläubiger erfüllt hat, während dies für die Abgabenschulden unstrittig nicht zutraf, auf eine Ungleichbehandlung des Abgabengläubigers auch dann schließen, wenn diese Ungleichbehandlung auch anderen Gesellschaftsgläubigern widerfahren sein sollte. Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erstreckt sich die Haftung des Vertreters zwar nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erlangt hat. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt aber dem Vertreter. Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden.