13.04.2011 Sozialrecht

VwGH: Notstandshilfe - Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens bei getrenntem Haushalt?

Eine Anrechnung des Einkommens des Ehegatten der Arbeitslosen setzt voraus, dass die Arbeitslose im relevanten Zeitraum mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebt oder ein solcher gemeinsamer Haushalt zwar nicht besteht, die Arbeitslose aber die Hausgemeinschaft mit ihrem Ehepartner nur deshalb aufgegeben hat oder ihm ferngeblieben ist, um der Anrechnung ihres Einkommens auf die ihr gebührende Notstandshilfe zu entgehen; die Behörde ist berechtigt, vom Bestehen eines gemeinsamen Haushaltes dann auszugehen, wenn sie die gegenteiligen Behauptungen der Partei unter Berücksichtigung der Ermittlungsergebnisse für unglaubwürdig erachtet und die von der Behörde dazu in der Begründung des Bescheids angestellten Überlegungen einer Schlüssigkeitsprüfung standhalten


Schlagworte: Arbeitslosenversicherungsrecht, Notlage, Ehegatte, getrennter Haushalt, Behauptung, Ermittlungsergebnisse
Gesetze:

§ 36 Abs 2 AlVG, § 2 Abs 2 NotstandshilfeV

GZ 2008/08/0022, 16.02.2011

Die Bf bringt vor, dass sich aufgrund des klaren Wortlauts des § 36 Abs 2 AlVG ergebe, dass das Einkommen eines getrennt lebenden Ehegatten bei der Berechnung des Notstandshilfeanspruchs nicht zu berücksichtigen sei. Die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid selbst ausgeführt, dass die Bf schon in ihrem Antrag auf Notstandshilfe angegeben habe, mit ihrem Gatten nicht im gleichen Haushalt zu leben.

VwGH: Eine Anrechnung des Einkommens des Ehegatten der Arbeitslosen setzt voraus, dass die Arbeitslose im relevanten Zeitraum mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebt oder ein solcher gemeinsamer Haushalt zwar nicht besteht, die Arbeitslose aber die Hausgemeinschaft mit ihrem Ehepartner nur deshalb aufgegeben hat oder ihm ferngeblieben ist, um der Anrechnung ihres Einkommens auf die ihr gebührende Notstandshilfe zu entgehen.

Der im Gesetz angeordneten Berücksichtigung des Einkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners liegt offenbar die Annahme zu Grunde, dass dieser wegen der Lebens- (Wohn-) Gemeinschaft auch zum gemeinsamen Wirtschaften zumindest zum Teil beiträgt. Gem § 90 ABGB sind die Ehegatten einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft sowie (ua) auch zum gemeinsamen Wohnen verpflichtet. Von diesem (typischen) Bild einer aufrechten Ehe darf die Behörde auch im Verwaltungsverfahren nach dem AlVG grundsätzlich ausgehen, solange nicht die Parteien eine davon abweichende Lebensführung behaupten und die erforderlichen Beweismittel benennen oder beibringen. Anders würde nämlich bei Fragen aus dem persönlichen Lebensbereich, wie jener nach der gemeinsamen oder getrennten Haushaltsführung von Gatten, die Behörde gar nicht in der Lage sein, von sich aus eine zweckentsprechende Ermittlungstätigkeit zu entfalten. Die Behörde ist daher berechtigt, vom Bestehen eines gemeinsamen Haushaltes dann auszugehen, wenn sie die gegenteiligen Behauptungen der Partei unter Berücksichtigung der Ermittlungsergebnisse für unglaubwürdig erachtet und die von der Behörde dazu in der Begründung des Bescheids angestellten Überlegungen einer Schlüssigkeitsprüfung standhalten.

Die belangte Behörde übersieht, dass die Bf bereits im Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe das Vorliegen eines getrennten Haushalts angegeben hat, sodass - falls diese Angabe zutreffend ist - eine Anrechnung des Einkommens ihres Ehemannes nur dann zulässig wäre, wenn aus den in § 2 Abs 2 NotstandshilfeV genannten Gründen (vorübergehende Abwesenheit wegen Kur-, Krankenhausaufenthalt, Arbeitsverrichtung an einem anderen Ort uä bzw Aufgabe der Hausgemeinschaft nur, um der Anrechnung des Einkommens zu entgehen) weiterhin von einem gemeinsamen Haushalt auszugehen wäre.

Wie die Ausführungen in der Gegenschrift deutlich machen, beruhte das Unterlassen näherer Feststellungen zur Frage des gemeinsamen Haushalts nicht auf einem Versehen, sondern war Folge der unzutreffenden Rechtsansicht, dass auch bei getrenntem Haushalt, aber aufrechter Ehe, eine Anrechnung des Partnereinkommens nach den Bestimmungen des § 6 NotstandshilfeV zu erfolgen habe. Die belangte Behörde führt in der Gegenschrift dazu weiters aus, dass "mittlerweile in derartigen Fällen - aufrechte Ehe, aber getrennter Haushalt - die Möglichkeit eines fiktiven Unterhaltsanspruchs geprüft wird, jedoch nur bei neuen Fällen".

Da die belangte Behörde somit, ausgehend von einer unzutreffenden Rechtsansicht, die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig.