VwGH: Zur Abgrenzung des freien Dienstvertrages vom Werkvertrag
Es ist rechtlich möglich, dass mehrere Werkverträge aufeinanderfolgend abgeschlossen werden, ohne dass dadurch ein (freier) Dienstvertrag zustande kommt
§ 4 Abs 4 ASVG, § 4 Abs 2 ASVG
GZ 2008/08/0034, 26.01.2010
VwGH: Der bf Partei ist zuzugestehen, dass es rechtlich möglich ist, dass mehrere Werkverträge aufeinanderfolgend abgeschlossen werden, ohne dass dadurch ein (freier) Dienstvertrag zustande kommt.
Es kommt entscheidend darauf an, ob sich jemand auf gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen (den Dienstgeber) verpflichtet (diesfalls liegt ein Dienstvertrag vor) oder ob er die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt (in diesem Fall liegt ein Werkvertrag vor), wobei es sich im zuletzt genannten Fall um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handelt, während es im Dienstvertrag primär auf die rechtlich begründete Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers, also auf seine Bereitschaft zu Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit (in Eingliederung in den Betrieb des Leistungsempfängers sowie in persönlicher und regelmäßig damit verbundener wirtschaftlicher Abhängigkeit von ihm) ankommt.
Durch die Verpflichtung zu Dienstleistungen für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit begründet der freie Dienstvertrag ein Dauerschuldverhältnis. Demgegenüber verpflichtet sich der Werkunternehmer zur Herstellung eines Werkes gegen Entgelt, wobei es sich um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handelt. Diese Rechtsauffassung wurde in der Lehre und Judikatur geteilt. Der Werkvertrag begründet in der Regel ein Zielschuldverhältnis, die Verpflichtung besteht darin, die genau umrissene Leistung - in der Regel bis zu einem bestimmten Termin - zu erbringen. Mit der Erbringung der Leistung endet das Vertragsverhältnis. Der 'freie Dienstnehmer' handelt ebenso wie der Werkunternehmer persönlich selbständig, diese Vertragsverhältnisse lassen sich daher nach dem Gegenstand der Leistung und deren Dauer abgrenzen. Nach Mazal kommt es darauf an, ob die Parteien eine bestimmte letztlich abgeschlossene Tätigkeit (Werkvertrag) vereinbaren oder ob sie eine zeitlich begrenzte oder unbegrenzte Verpflichtung zum Tun begründen wollen (freier Dienstvertrag). Wachter spricht in diesem Zusammenhang davon, dass das Interesse des Bestellers und die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers lediglich auf das Endprodukt als solches gerichtet sind. Auch nach der Judikatur liegt ein Werkvertrag dann vor, wenn Gegenstand der vereinbarten Leistung ein bestimmtes Produkt ist. Die Herstellung eines Werkes als eine in sich geschlossene Einheit hat der VwGH bei der Erbringung einzelner manueller Beiträge zu einem Werk nicht angenommen (Montagearbeiten an einer Lüftungsanlage, Arbeiten auf einer Baustelle). Ebenso wurde ein Werkvertrag verneint, wenn die zu erbringende Leistung nicht schon im Vertrag selbst konkretisiert und individualisiert wurde. Schrank/Grabner führen unter Berufung auf Tomandl aus, die Vertragspflicht beim freien Dienstvertrag auf Seiten des Auftragnehmers müsse Dienstleistungen umfassen, müsse sich also auf bloß der Art nach umschriebene Tätigkeiten (Arbeiten, Tun, Wirken) beziehen, bei welchen 'die Einräumung eines Gestaltungsrechtes an den Besteller (bzw eine Unterwerfung auf Seiten des freien Dienstnehmers) wesentlicher Bestandteil des Vertrages ist, der noch nach Vertragsabschluss, also bei der Vertragserfüllung, einer Konkretisierung durch den Auftraggeber dahin bedarf, welche Einzelleistungen er im Rahmen des Vertrages verrichtet sehen möchte'.
Wie die belangte Behörde unbestritten festgestellt hat, liegt keine schriftliche Vertragsausfertigung vor. Da auch keine einvernehmlichen Angaben über den Inhalt eines abgeschlossenen Vertrages von der Erstmitbeteiligten und der bf Partei gemacht worden sind, hat die belangte Behörde zutreffend die tatsächliche Ausgestaltung der Beziehungen zwischen der Erstmitbeteiligten und der bf Partei für ihre Beurteilung herangezogen.
Der belangten Behörde kann nicht mit Erfolg entgegen getreten werden, wenn sie festgestellt hat, dass die Erstmitbeteiligte exklusiv für die bf Partei tätig sein musste und ein Konkurrenzverbot bestanden hat. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem es auf das Gesamtbild der Tätigkeit entscheidend ankommt, ist ein Konkurrenzverbot von besonderer Bedeutung. Es trifft zwar an sich zu, dass ein Journalist entweder im Rahmen von Werkverträgen oder auch im Rahmen eines Dienstvertrages mit der Herstellung von Zeitungsartikeln beauftragt sein kann, sodass aus der erbrachten Leistung für sich allein genommen noch kein endgültiger Schluss auf die Art des Vertragsverhältnisses gezogen werden kann. Der Parteiwille muss daher - soweit er nicht in einem mit den tatsächlichen Umständen der Leistungserbringung übereinstimmenden schriftlichen Vertrag dokumentiert ist - aus den sonstigen Umständen, insbesondere auch aus mündlichen Nebenabreden des Vertragsverhältnisses iVm dessen tatsächlicher Durchführung erschlossen werden. In diesem Zusammenhang spricht nun aber gerade die Vereinbarung eines Konkurrenzverbotes nach der Übung des redlichen Verkehrs dagegen, dass der Parteiwille auf den Abschluss von Werkverträgen gerichtet war.
Im Übrigen hat die bf Partei dadurch, dass sie - abgesehen vom Konkurrenzverbot - die Erstmitbeteiligte auch mit dem "Inseratenwerben" beauftragt hat, schlüssig zum Ausdruck gebracht, dass es ihr darauf ankam, sich die Tätigkeit der Erstmitbeteiligten exklusiv zu sichern und sie nicht bloß von Fall zu Fall mit Werkleistungen zu beauftragen.
Entgegen den Auffassungen der bf Partei kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob die Erstmitbeteiligte neben ihrer Tätigkeit für die bf Partei auch andere (nicht journalistische) Leistungen für andere Personen erbracht hat und auf welcher Rechtsgrundlage diese erbracht worden sind, da diese Tätigkeiten für die Beurteilung der Versicherungspflicht zur bf Partei gem § 4 Abs 4 ASVG ohne Belang sind.
Soweit die bf Partei darauf hinweist, dass es nur ein leistungsbezogenes Entgelt gegeben habe, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Gewährung eines leistungsbezogenen Entgeltes nicht einmal einer Versicherungspflicht gem § 4 Abs 2 ASVG entgegensteht, umso weniger einer Versicherungspflicht gem § 4 Abs 4 ASVG. Es kann daher auch nicht, wie dies in der Beschwerde geschieht, von einem geschuldeten "Erfolg" mit der Begründung gesprochen werden, weil gegebenenfalls ein Artikel von der bf Partei nicht angenommen und nicht abgedruckt worden wäre.
Im Übrigen mag es zwar sein, dass die bf Partei der Erstmitbeteiligten hinsichtlich der journalistischen Tätigkeit keine wesentlichen Betriebsmittel zur Verfügung gestellt hat. Im Hinblick auf das festgestellte Konkurrenzverbot ist aber nicht davon auszugehen, dass die von der Erstmitbeteiligten verwendeten Betriebsmittel der Schaffung einer eigenen unternehmerischen Struktur gewidmet gewesen sind.