VwGH: Schutz- und Regulierungswasserbauten - zur Bewilligung nach § 41 WRG
Die Bewilligungen nach § 41 WRG verleihen kein Wasserbenutzungsrecht; die nach § 41 WRG erforderliche Bewilligung ist ua zu versagen, wenn fremde Rechte dieser Bewilligung entgegenstehen, die nach entsprechender Interessenabwägung nicht durch Zwangsrechte überwunden werden können
§ 41 WRG
GZ 2008/07/0134, 30.09.2010
Der forsttechnische Dienst für Wildbach- und Lawinenverbauung, Gebietsbauleitung Mühlviertel, beantragte namens der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Schriftsatz vom 5. März 2007 die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung zur Ableitung der Hangwässer aus dem nördlichen Einzugsgebiet des Holzingerbaches im Bereich der Siedlung H.
Aus dem technischen Bericht dieses Projektes geht hervor, dass nördlich der Siedlung zwischen hm 9,50 und hm 12,00 entlang der Grenzen bestimmter Grundstücksparzellen ein rund 250 m langes Erdgerinne mit talseitigem Erddamm errichtet werden solle.
Aus den dem Einreichprojekt zugrunde liegenden Planunterlagen geht hervor, dass das Gerinne ua das Grundstück Nr 210/1 (im Eigentum der Bf) quert und an einem Eckpunkt des Grundstückes Nr 209/2 (im Eigentum der Bf) entlang geführt werden soll. Nach den von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellten Angaben in der Beschwerde liegen weitere Grundstücke der Bf unterhalb des Erdgerinnes bzw des Dammes (Grundstücke Nr 209/2, 209/4, 220 und 221).
VwGH: Die Bewilligungen nach § 41 WRG verleihen kein Wasserbenutzungsrecht. § 41 Abs 3 und § 41 Abs 5 WRG erklären jedoch mehrere Bestimmungen betreffend Wassernutzungen für sinngemäß anwendbar. Insbesondere wird auf § 12 Abs 3 WRG verwiesen, welcher bezüglich der Möglichkeit, bestehende Rechte durch Einräumung von Zwangsrechten zu beseitigen oder zu beschränken, auf die Vorschriften des sechsten Abschnittes dieses Gesetzes verweist (§ 60 ff WRG). Die nach § 41 WRG erforderliche Bewilligung ist demnach ua zu versagen, wenn fremde Rechte dieser Bewilligung entgegenstehen, die nach entsprechender Interessenabwägung nicht durch Zwangsrechte überwunden werden können. Als fremde Rechte iSd § 41 Abs 4 WRG sind nach § 12 Abs 2 leg cit Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs 2 und das Grundeigentum anzusehen.
Die Bf wurden offenbar deshalb dem Verfahren beigezogen und als betroffene Grundeigentümerinnen in Bezug auf ihre Grundstücke Nr 210/1 und 209/2 im Grundstücksverzeichnis der Projektsunterlagen geführt, weil das Erdgerinne ua über diese beiden Grundstücke verläuft, es somit in Anspruch nimmt. Darüber hinaus sind die Bf aber auch Eigentümerinnen anderer Grundstücke im Nahebereich des Erdgerinnes, ua eines Grundstückes mit einem Wohnhaus.
Die Parteistellung der Bf ergibt sich daher zum einen aus ihrer Eigenschaft als Eigentümerinnen von durch die Gerinneführung unmittelbar betroffenen Grundstücken und zum anderen aus ihrer Eigenschaft als Eigentümerinnen von benachbarten Grundstücken, die im Falle einer Überschwemmung beeinträchtigt werden könnten.
Zum Aspekt der Parteistellung der Bf als Ausfluss des Grundeigentums an den Grundstücken Nr 209/2 und 210/1 ist festzuhalten, dass eine Inanspruchnahme von Fremdgrund ohne Zustimmung des Eigentümers dessen aus dem Grundeigentum erfließende Rechte verletzt. Entgegen der offenbar von der BH vertretenen und vom LH übernommenen Rechtsansicht haben die Bf keine Zustimmungserklärung zur Gerinneführung über diese Grundstücke erteilt, sondern diese ausdrücklich nur "unter Vorbehalt" ausgesprochen, weil sie eine dann näher ausgeführte Beeinträchtigung ihrer Rechte befürchteten.
Es kann daher auch nicht von einer Dienstbarkeitsbegründung iSd § 111 Abs 4 WRG ausgegangen werden. Wenn weder die Zustimmung des Grundeigentümers vorliegt noch ein Fall des § 111 Abs 4 WRG gegeben ist, hat die Wasserrechtsbehörde zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Einräumung eines Zwangsrechtes bestehen und dieses entweder einzuräumen oder den Antrag als Folge der entgegenstehenden fremden Rechte abzuweisen. Ein solches Zwangsrecht wurde aber ebenfalls nicht begründet.
Die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung ohne Zustimmung der betroffenen Eigentümerinnen (bzw ohne Zwangsrechtseinräumung ihnen gegenüber) verletzte daher Rechte der Bf.
Die Bf sind aber auch als Eigentümerinnen der unterliegenden Grundstücke (samt Wohnhaus) Parteien des Verfahrens, haben sie doch rechtzeitig eine Beeinträchtigung ihres Grundeigentums durch die Auswirkungen der Anlage (Überschwemmungen bei Verklausung) geltend gemacht. Der belangten Behörde, die die Möglichkeit der Berührung dieser Rechte durch das Projekt nicht in Abrede stellte, sind aber auch bei der inhaltlichen Prüfung dieser von den Bf geäußerten Bedenken Verfahrensfehler und Fehler in der rechtlichen Beurteilung unterlaufen.
Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang nämlich auf die der mitbeteiligten Marktgemeinde im Fall der Erteilung der Bewilligung obliegende Verpflichtung gem § 50 Abs 1 und 6 WRG, die Anlage so zu erhalten, dass öffentliche Interessen und fremde Rechte nicht verletzt werden, hingewiesen. Diese Verpflichtung der mitbeteiligten Marktgemeinde setzt aber die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung zur Errichtung des geplanten Schutzwasserbaues voraus. Die Erteilung dieser wasserrechtlichen Bewilligung ist aber nur dann möglich, wenn keine Rechte der Bf verletzt (oder ihnen gegenüber Zwangsrechte eingeräumt) werden. Der in der Begründung des angefochtenen Bescheides vorgenommene Verweis auf die die mitbeteiligte Partei treffenden Pflichten des § 50 Abs 1 und 6 WRG ist daher nicht geeignet, die von den Bf behauptete Rechtsverletzungsmöglichkeit auszuschließen.
Die belangte Behörde führte iZm der Einwendung der Bf, es könne zu Verklausungen des geplanten Grabens kommen, aus, bei diesem Gerinne handle es sich um kein Gewässer, welches bei Hochwasser eventuell Äste oder anderes sperriges Material aus dem Oberlauf mit sich führen könnte; daher sei mit einer Verklausung der Durchlässe bei sonst ordnungsgemäßer Instandhaltung des Erdgerinnes nicht zu rechnen. In ihrer Gegenschrift meinte die belangte Behörde dazu, dass es wegen des Fehlens eines Oberlaufes nicht zu Verklausungen durch ein einzelnes Niederschlagsereignis kommen könne, stelle eine offenkundige Tatsache dar, welche gem § 45 Abs 1 AVG keines Beweises bedürfe.
Auch dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Es trifft zwar zu, dass es sich bei dem Erdgerinne um kein bestehendes Gewässer handelt, sondern um einen neu angelegten Wasserlauf, der über keinen Oberlauf verfügt. Auch wenn daher Äste oder anderes Material nicht aus dem Oberlauf dieses Erdgerinnes angeschwemmt werden können, so könnte doch der Fall auftreten, dass Äste oder anderes Material aus dem im Nahebereich des Erdgerinnes anzupflanzenden Strauch- und Baumbestand bei Unwettern in das Gerinne gelangen und eine Verklausung verursachen. Schließlich erscheint auch nach den Einreichunterlagen bzw nach der Auflage 7 des Bewilligungsbescheides bei Anlegung des Erdgerinnes eine Rodung des angrenzenden Waldbereiches notwendig, was den Schluss nahe legt, dass es in der Nähe des Erdgerinnes nicht nur (erst) anzupflanzende sondern auch bereits bestehende Bäume gibt, von denen ebenfalls Äste abbrechen und in das Gerinne gelangen könnten. Das Fehlen eines Oberlaufes des Gerinnes schließt daher nach Ansicht des VwGH nicht offenkundig eine Verklausungsgefahr aus.
Die Frage, ob das geplante Erdgerinne bei einem Unwetter durch Äste und sperriges Material verlegt werden könnte, und mit welchen Folgen für die Grundstücke der Bf in diesem Fall zu rechnen wäre, wäre daher als Fachfrage von einem Sachverständigen zu beantworten gewesen. Die Klärung dieser Frage ist aber entscheidend für die Beurteilung, ob das gegenständliche Projekt die obgenannten Rechte der Bf verletzt oder nicht.