VwGH: Abfalleigenschaft von organisch kompostierbarem Material, PKW und Traktorreifen
Fehlt ein landwirtschaftlicher Betrieb, ist im Einzelfall anhand der Kriterien des § 1 Abs 3 AWG zu prüfen, ob die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung von Mist, Jauche, Gülle und organisch kompostierbarem Material als Abfall im öffentlichen Interesse geboten ist oder nicht; die Abfalleigenschaft eines PKW ist, selbst wenn dieser Betriebsmittel verlieren sollte, dann zu verneinen, wenn er noch in Gebrauch steht, wobei allerdings nicht jede beliebige Gebrauchsform die Abfalleigenschaft ausschließen kann, sondern nur ein bestimmungsgemäßer Gebrauch iSd § 2 Abs 3 Z 2 AWG
§ 1 Abs 3 AWG, § 2 Abs 3 AWG
GZ 2008/07/0170, 30.09.2010
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass bei allen genannten Materialien der objektive Abfallbegriff des § 2 Abs 1 Z 2 AWG iVm § 1 Abs 3 AWG (offenbar der Z 1, 3 und 4) verwirklicht worden sei. Zu der Frage, ob diese Materialien gegebenenfalls auch den subjektiven Abfallbegriff des § 2 Abs 1 Z 1 AWG erfüllten, finden sich keine Ausführungen.
VwGH: Entgegen der Auffassung der belangten Behörde reicht es für die Qualifikation von organisch kompostierbarem Material als Abfall nicht, dass diese Materialien nicht im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes anfallen und nicht im unmittelbaren Bereich eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes einer zulässigen Verwendung zugeführt werden. Vielmehr ist darauf hinzuweisen, dass der Einleitungssatz des § 2 Abs 3 AWG das Wort "jedenfalls" enthält und dass diese Relativierung auch für den letzten Satz des § 2 Abs 3 AWG gilt. Daraus folgt, dass bei Anfall und Verwendung dieses Materials im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes jedenfalls davon auszugehen ist, dass die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung dieses Materials als Abfall nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs 3 AWG) erforderlich ist, der Abfallbegriff aus objektiver Sicht also nicht erfüllt wird. Fehlt aber ein solcher landwirtschaftlicher Betrieb, ist im Einzelfall anhand der Kriterien des § 1 Abs 3 AWG zu prüfen, ob die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung von Mist, Jauche, Gülle und organisch kompostierbarem Material als Abfall im öffentlichen Interesse geboten ist oder nicht.
Diesem Verständnis des § 2 Abs 3 letzter Satz steht auch das Erkenntnis vom 20. Jänner 2005, 2004/07/0206, nicht entgegen, handelte es sich doch dort um einen Fall, in dem die Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen des objektiven Abfallbegriffes (nach § 1 Abs 3 AWG) geprüft und bejaht hat. Vor diesem Hintergrund ist die Aussage in diesem Erkenntnis zu verstehen, dass Mist nur dann nicht Abfall ist, wenn die Voraussetzungen des § 2 Abs 3 letzter Satz AWG erfüllt sind.
Daraus folgt aber, dass es hier einer näheren Prüfung bedurft hätte, ob es sich um Abfall im objektiven Sinn handelt; dabei wäre aber auch eine nähere Darstellung der Materialien, die die Behörde mit dem Begriff "Bioabfall" beschrieb, notwendig gewesen. Diese Ergänzungsbedürftigkeit führt zur Rechtswidrigkeit dieses Bescheidpunktes.
Der Bf bestreitet, dass es sich bei den Autos um Autowracks handle, und macht geltend, diese seien funktionsfähig und würden verkauft bzw seien verkauft worden; sie stünden in einer bestimmungsgemäßen Verwendung.
Nun ist die Abfalleigenschaft eines PKW, selbst wenn dieser Betriebsmittel verlieren sollte, dann zu verneinen, wenn er noch in Gebrauch steht, wobei allerdings nicht jede beliebige Gebrauchsform die Abfalleigenschaft ausschließen kann, sondern nur ein bestimmungsgemäßer Gebrauch iSd § 2 Abs 3 Z 2 AWG. So stellt der Gebrauch eines LKW "zum Ausschlachten", also der Ausbau von Bestandteilen zur Verwendung als gebrauchte Ersatzteile, nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht die "bestimmungsgemäße Verwendung" iSd genannten Bestimmung dar.
Hinsichtlich der "vier Traktorreifen mit Felgen" führt der Bf aus, sie seien Reservereifen für seinen ICP Bagger. Damit macht er aber ihren weiteren bestimmungsgemäßen Gebrauch iSd § 2 Abs 3 Z 2 AWG geltend. Darauf ist die belangte Behörde nicht näher eingegangen.
Ob diese alten Traktorreifen (alle oder einzelne) als Ersatzreifen für den vom Bf genannten Bagger iSd § 2 Abs 3 Z 2 AWG tatsächlich in Gebrauch stehen bzw ob sie auf Grund ihrer Beschaffenheit überhaupt noch in Gebrauch stehen können, ist von sachverständiger Seite nicht näher geklärt worden. Da dies aber aufgrund der fehlenden Ermittlungen nicht ausgeschlossen werden kann, erweist sich auch dieser Teil des angefochtenen Bescheides als mangelhaft.
Im Übrigen wäre es notwendig gewesen, auf sachverständiger Ebene festzustellen, welche öffentlichen Interessen iSd § 1 Abs 3 AWG die Behandlung der Reifen als Abfall erforderlich machten, um überhaupt ihre Subsumtion unter den Abfallbegriff des § 2 Abs 1 Z 2 AWG vornehmen zu können. Solche Feststellungen wurden nicht getroffen; die diesbezüglichen Ausführungen in den Aktenvermerken, auf die sich der angefochtene Bescheid offenbar bezieht, stellen - neben der nicht näher erläuterten Bemerkung, es handle sich "offensichtlich um Abfall" - lediglich eine Wiederholung des Gesetzestextes, aber keine Darstellung konkreter Beeinträchtigungen der in § 1 Abs 3 AWG genannten öffentlichen Interessen durch die vorgefundenen Ablagerungen dar.