24.07.2009 Sicherheitsrecht

VwGH: Ist für die Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 65 Abs 1 SPG eine konkrete fallbezogene Prognose zu treffen?

Im zweiten Fall des § 65 Abs 1 SPG reicht bereits eine abstrakte Form von Wahrscheinlichkeit, die an der verwirklichten Tat anknüpft, für die Annahme aus, die erkennungsdienstliche Behandlung sei zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich


Schlagworte: Sicherheitspolizeirecht, erkennungsdienstliche Behandlung, Wahrscheinlichkeit der Wiederholung oder Begehung anderer gefährlicher Angriffe, abstrakte Form von Wahrscheinlichkeit
Gesetze:

§ 65 SPG

GZ 2009/17/0053, 18.05.2009

VwGH: Die belangte Behörde verweist (zutreffend) auf die EB zur RV 272 BlgNR 23. GP 8 f, wo iZm der durch die Novelle BGBl I Nr 114/2007 Gesetz gewordenen Formulierung der Abs 1 und 5 des § 65 SGP ausgeführt wird wie folgt:"Mit der Änderung des § 65 Abs 1 durch die SPG-Novelle 2002 (vgl die entsprechenden EB zur RV, 1138 BlgNR, XXI. GP) sollte erreicht werden, dass eine erkennungsdienstliche Behandlung bei Verdacht einer Einzelstraftat nicht nur dann zulässig ist, wenn beim Betroffenen konkrete Anhaltspunkte für eine Wiederholungsgefahr oder der Gefahr der Begehung anderer gefährlicher Angriffe bestehen, sondern auch wenn eine für bestimmte Deliktsbereiche typische (statistische) Rückfallsgefahr vorliegt. Die Art des begangenen Delikts oder konkrete Umstände bei der Tatbegehung sollten Maßstab für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer gefährlicher Angriffe darstellen. Zu dieser Fassung des § 65 Abs 1 hat der VwGH in mehreren Erkenntnissen festgehalten, dass die aktuelle Textierung des § 65 - insbesondere auch wegen des unverändert gebliebenen § 65 Abs 5 letzter Satz - eine rein abstrakte Betrachtungsweise verbiete. Für die Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 65 Abs 1 sei es immer erforderlich, eine konkrete fallbezogene Prognose zu treffen, bei der sich die Behörde mit den Einzelheiten des von ihr iSd ersten Voraussetzung des § 65 Abs 1 angenommenen Verdachtes, mit den daraus unter Bedachtnahme auf die Persönlichkeit des Betroffenen zu ziehenden Schlüssen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass er gefährliche Angriffe begehen werde, und mit der Frage des daraus abzuleitenden Erfordernisses einer 'Vorbeugung' durch eine erkennungsdienstliche Behandlung auseinander zusetzen habe. Im Rahmen dieser Überlegungen komme es 'auch' auf die Art des Delikts an. § 65 Abs 5 zweiter Satz bezweckt, dass dem Betroffenen der vorbeugende Charakter der erkennungsdienstlichen Behandlung (entsprechend der sicherheitspolizeilichen Aufgabenstellung des § 22 Abs 2) nochmals vor Augen geführt werden soll. Da dieser Satz für die Frage, ob die Maßnahme zur Vorbeugung künftiger gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint, keinen Mehrwert bringt, kann er gestrichen werden. Darüber hinaus soll durch die Neufassung von § 65 Abs 1 klargestellt werden, dass - abgesehen von der Tatbegehung im Rahmen einer kriminellen Verbindung - konkrete Anhaltspunkte für die Wahrscheinlichkeit der Wiederholung oder Begehung anderer gefährlicher Angriffe entweder in der Person des Betroffenen selbst oder in der Art oder Ausführung der Tat liegen können. Es genügt im zweiten Fall eine abstrakte Form von Wahrscheinlichkeit, die an die verwirklichte Tat anknüpft und den Schluss rechtfertigt, dass die Tat nach der allgemeinen Lebenserfahrung kein Einzelfall bleiben wird."

Im Hinblick auf den geänderten Gesetzestext die hier zum Ausdruck gekommene Absicht des (historischen) Gesetzgebers vermag der VwGH seine bisherige, zur früheren Rechtslage ergangene Rechtsprechung nicht aufrecht zu erhalten. Der VwGH geht daher davon aus, dass im zweiten Fall des § 65 Abs 1 SPG bereits eine abstrakte Form von Wahrscheinlichkeit, die an der verwirklichten Tat anknüpft, für die Annahme ausreicht, die erkennungsdienstliche Behandlung sei zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich.