03.05.2007 Sicherheitsrecht

VwGH: Ausführungen zur Hausdurchsuchung und Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt


Schlagworte: Hausdurchsuchung, Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt
Gesetze:

§ 1 HausrechtG, § 67a Abs 1 Z 2 AVG, Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG

In seinem Erkenntnis vom 22.02.2007 zur GZ 2006/11/0154 hat sich der VwGH mit der Hausdurchsuchung und Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt befasst:

VwGH: Nach der stRsp des VwGH ist für das Wesen einer Hausdurchsuchung charakteristisch, dass nach Personen oder Sachen, von denen unbekannt ist, wo sie sich befinden, gesucht wird; ein bloßes Betreten einer Wohnung, nachdem diese freiwillig geöffnet worden war, etwa um zu sehen, von wem sie bewohnt wird, zur Feststellung der Räume nach Größe, Zahl und Beschaffenheit oder anlässlich der Suche nach einer Person hat der VfGH nicht als Hausdurchsuchung beurteilt.

Nach der Rechtsprechung des VfGH und des VwGH ist ein faktisches Organhandeln dann eine 'Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt', wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist. Eine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ist nur dann gegeben, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen wird. Ein derartiger Eingriff liegt im Allgemeinen dann vor, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht.

Beim bloßen Betreten einer Wohnung anlässlich der Suche nach einer Person handelt es sich nach der Rechtsprechung zwar nicht um eine Hausdurchsuchung und keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wenn dem Staatsorgan die Wohnung ohne vorherigen Befehl und Zwang geöffnet wurde. Auch wurde vom VwGH das Entfernen (Ausbauen) eines im Eigentum der Gemeinde stehenden Gegenstandes durch Gemeindeorgane, denen der Zutritt freiwillig gestattet worden war, nicht als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt qualifiziert. Vom VfGH wurde das Betreten eines der Allgemeinheit zugänglichen Parkplatzes nicht als Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt qualifiziert, wobei dieser Gerichtshof ausdrücklich betonte, dass die Sache anders zu sehen gewesen wäre, wenn der Parkplatz nicht öffentlich zugänglich gewesen wäre.

Demgegenüber wurde in der Rechtsprechung des VfGH die Abhaltung einer militärischen Übung ohne die Zustimmung des Grundeigentümers, das Betreten eines Hauses und die ohne Zustimmung des Verfügungsberechtigten vorgenommene Nachschau in einigen Zimmern durch einen Gendarmeriebeamten, das Betreten und die Nachschau in einer Wohnung, ohne dass dies freiwillig gestattet worden wäre, als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt angesehen, und zwar in all diesen Fällen ungeachtet des Umstandes, dass physischer Zwang weder ausgeübt noch angedroht worden war.

Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt können auch vorliegen, wenn die Maßnahmen für den Betroffenen nicht unmittelbar wahrnehmbar sind, vielmehr kommt es darauf an, ob ein Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen erfolgt. Dies kann auch ohne sein Wissen der Fall sein.

Im Betreten einer Liegenschaft, bei dem sich die einschreitenden Organe auf Verhaltensweisen beschränkt haben, die im ländlichen Raum zur Feststellung, ob jemand zu Hause sei, durchaus üblich sind (das Öffnen eines nicht versperrten, aber geschlossenen Gatters sowie nicht versperrter, aber geschlossener Türen einer Tenne sowie eines Stalls), hat der VfGH jedoch ebenso wenig die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erblickt, wie im bloßen Befahren einer Privatstraße, die nicht als Privatstraße mit Fahrverbot ersichtlich gemacht war und in welchem Fall der Grundeigentümer von der Amtshandlung nicht betroffen war.

Für die Qualifikation der gegenständlichen Amtshandlung ist angesichts der dargestellten Rechtsprechung daher von wesentlicher Bedeutung, ob durch sie ein Eingriff in die Rechtssphäre des Beschwerdeführers dadurch bewirkt wurde, dass die Beamten ohne seine Zustimmung seine Privatstraße befuhren, seine Grundstücke und Gebäude betraten, dortige Erhebungen pflogen und ob ihr Verhalten in objektiver Hinsicht darauf abzielte, eine diesbezügliche Duldungspflicht des Beschwerdeführers zu bewirken.

Das Befahren der mit einem Schild 'Privatweg - Begehen verboten' versehenen Privatstraße zur Almhütte und die dortigen Erhebungen können nicht ohne Weiteres als Verhaltensweisen, 'die im ländlichen Raum zur Feststellung, ob sich jemand dort aufhält, durchaus üblich sind', angesehen werden, sondern hatten offensichtlich einen anderen, über eine solche bloße Feststellung hinausgehenden Zweck. Von einem bloßen Befahren eines Weges, um zum Beschwerdeführer zu gelangen bzw dessen Anwesenheit festzustellen, kann nicht mehr gesprochen werden. Die Amtshandlung hatte vielmehr - abgesehen von ihrer andersartigen Zweckrichtung - eine längere Dauer und größere Intensität als derartige Vorgangsweisen.