VwGH: DMSG - ist ein Gebäude grundsätzlich nur als Ganzes unter Schutz zu stellen?
Eine Teilunterschutzstellung ist immer dort vorzunehmen, wo sie fachlich ausreichend erscheint; dass eine solche Teilunterschutzstellung überschaubare, abgeschlossene Teile umfassen muss, liegt auf der Hand
§ 1 DMSG
GZ 2008/09/0322, 09.11.2009
VwGH: Die belangte Behörde begründete das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der Erhaltung des gegenständlichen Gebäudes lediglich damit, das in Rede stehende Gebäude sei "ein gut erhaltenes Ahaus am Wiener Rplatz", stelle "ein außergewöhnliches Beispiel historischer (gemeint wohl: historistischer) Bauweise" dar und sei ein "architektonisches Dokument für die großbürgerliche Wohnkultur an diesem Ort", sodass "seine Zerstörung ... daher ein Verlust für den österreichischen Kulturgutbestand" wäre. Inwieweit sich allerdings diese Einschätzung nur auf das Äußere oder auch auf das Innere des Gebäudes bezieht, geht aus dieser Formulierung nicht hervor. Insbesondere ging die belangte Behörde auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der Erhaltung auch der Innenräumlichkeiten mit Ausnahme jener zum Rplatz gerichteter Repräsentationsräume, die auch planmäßig eindeutig abgrenzbar sind, ebenso wenig konkret ein wie auf das von der beschwerdeführenden Partei vorgelegte umfang- und detailreiche, dieses Interesse begründet bestreitende Privatgutachten, weil sie - unter Zugrundelegung der Ausführungen des Amtssachverständigen zur geschichtlichen, künstlerischen und kulturellen Bedeutung des Gebäudes - die Rechtsauffassung vertrat, dass auch schlichte funktionale (Neben-)Räumlichkeiten charakteristisch für ein repräsentatives Wohnhaus dieser Epoche wären und damit bereits Erhaltungswert besäßen und ein Gebäude grundsätzlich als Ganzes unter Schutz zu stellen sei. Letztere Auffassung trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu.
Wie der VwGH bereits ausgeführt hat, sieht das DMSG selbst hinsichtlich der Möglichkeit, nur Teile eines unbeweglichen Objekts als wegen ihrer künstlerischen, geschichtlichen oder sonstigen kulturellen Bedeutung erhaltenswert unter Schutz zu stellen, nichts Ausdrückliches vor, geht aber offenbar stillschweigend von der Zulässigkeit einer Teilunterschutzstellung bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen des § 3 leg cit aus, zumal in der Bestimmung des § 1 Abs 8 DMSG ausdrücklich darauf Bezug genommen wird. Im gleichen Sinne sieht auch § 2 Abs 1 letzter Satz der auf Grund der §§ 12, 13 und 28 Abs 6 DMSG erlassenen Verordnung BGBl II Nr 97/2002 vor, dass "über den Umfang der Unterschutzstellung ... notwendige klare Abgrenzungen ... in beschreibender und/oder graphischer Form zu erfolgen" haben. Gem § 2 Abs 2 dieser Verordnung ist im Falle einer Teilunterschutzstellung dieser Umstand unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 1 Abs 8 DMSG im Spruch des Bescheides festzustellen.
Der VwGH hat überdies ausgesprochen, dass die Unterschutzstellung auch dann als dem Gesetz entsprechend erkannt werden kann, wenn ein zu schützendes Gebäude auf Grund fachkundiger Beurteilung in seinem derzeitigen Zustand zwar als Denkmal anzusehen ist, aber nicht in allen Details der ursprünglichen Planung entspricht, jedoch eine andere Betrachtungsweise dort geboten ist, wo an einem Gebäude nicht mehr bloße "Details" verändert wurden, sondern auch von der ursprünglichen Bausubstanz (auch damals: im Inneren) nichts oder diese nur mehr in klar umgrenzten Bereichen vorhanden ist. Eine Unterschutzstellung auch dieser Teile lässt sich nur im Hinblick auf § 1 Abs 8 DMSG rechtfertigen, wenn sie "für die denkmalgerechte Erhaltung der eigentlich geschützten Teile notwendig" sind. Gerade im Hinblick auf die Bestimmung des § 1 Abs 9 DMSG, wonach die Unterschutzstellung auch alle Bestandteile und Zubehör eines Denkmals, sowie alle übrigen mit ihm verbundenen, sein überliefertes oder gewachsenes Erscheinungsbild im Inneren oder Äußeren mitprägenden oder den Bestand (die Substanz) berührenden Teile samt Einrichtung und Ausstattung umfasst, darf eine Unterschutzstellung die unbedingt notwendige Eigentumsbeschränkung nicht überschreiten; eine Teilunterschutzstellung ist daher immer dort vorzunehmen, wo sie fachlich ausreichend erscheint. Dass eine solche Teilunterschutzstellung überschaubare, abgeschlossene Teile umfassen muss, liegt auf der Hand.
Im gegenständlichen Fall war daher zu prüfen, ob die jene in der Berufung im Einzelnen näher bezeichneten Innenräume umfassende Unterschutzstellung - die Unterschutzstellung des Äußeren des Gebäudes und des Stiegenhauses wurde in der Berufung gar nicht bekämpft - diesen Kriterien entspricht, wobei die geschichtliche, künstlerische oder kulturelle Bedeutung allein für die Unterschutzstellung nicht ausreicht, sondern eine solche nur unter Hinzutreten der weiteren Voraussetzung ausgesprochen werden darf, nämlich dass die Erhaltung des Objektes (bzw einzelner Teile desselben) dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist.
Für die Lösung der Frage, ob einem Objekt eine geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung zukommt, ist die in der Fachwelt vorherrschende Meinung ausschlaggebend. Dabei ist insbesondere auf den Wissens- und Erkenntnisstand sachverständiger Kreise Bedacht zu nehmen. Grundlage der Feststellung kann nur ein Fachgutachten sein, aus dem sich jene geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung ableiten lässt, aus der dann der rechtliche Schluss gezogen werden kann, dass die Erhaltung des Denkmals im öffentlichen Interesse gelegen ist. Den Fachbeamten des Bundesdenkmalamtes kommt in diesem Sinne die Stellung als Amtssachverständigen zu. Bei Vorliegen zweier einander widersprechender Gutachten hat die Behörde die Möglichkeit, auf Grund eigener Überlegungen einem Gutachten wegen dessen größerer Glaubwürdigkeit bzw Schlüssigkeit bei entsprechender Begründung den Vorzug zu geben.