19.02.2009 Baurecht

VwGH: Interessenbescheid gem § 30 MRG - zur Frage, ob der geplante Neubau im öffentlichen Interesse liegt

Ausführungen zum Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 15 MRG


Schlagworte: Mietrecht, Kündigung, wichtiger Grund, Interessenbescheid, Abbruch, Neubau, quantitativer Wohnungsbedarf, qualitativer Wohnfehlbestand, Assanierungszwecke
Gesetze:

§ 30 Abs 2 Z 15 MRG, § 4 BodenbeschaffungsG, § 5 BodenbeschaffungsG, § 1 StadterneuerungG

GZ 2008/06/0082, 18.12.2008

Die Beschwerdeführerin beantragte die Erlassung eines Interessenbescheides gem § 30 Abs 2 Z 15 MRG und brachte vor, das Haus sei in einem schlechten baulichen Zustand. Die Bf beabsichtige, das Gebäude abzutragen und in einem Neubau vier Büros, ein Geschäftslokal, einen Kinderspielraum und 20 neue Mietwohnungen einschließlich einer Tiefgarage neu zu errichten. Das Vorhaben liege im Hinblick auf die Errichtung einer Tiefgarage und die Vermehrung der Anzahl der Wohnungen im öffentlichen Interesse, zumal es einen Assanierungszweck erfülle; es komme auch zu einer allgemeinen Verbesserung des Stadtbildes. Dieses öffentliche Interesse überwiege jedenfalls die Interessen der von der Bauführung betroffenen beiden Mieter.

Die Bf beruft sich darauf, dass gem der Verordnung der Wiener Landesregierung vom 2. September 1975, LGBl Nr 27, mit der auf Grund des § 5 Abs 2 BodenbeschaffungsG für den Bereich der Gemeinde Wien ein qualitativer Wohnungsfehlbestand festgestellt wurde, und die bislang nicht aufgehoben worden sei, auch im Verfahren zur Erlassung des Interessenbescheides von einem qualitativen Wohnungsfehlbestand auszugehen sei.

VwGH: Gem § 30 Abs 1 MRG kann der Vermieter nur aus wichtigen Gründen den Mietvertrag kündigen. Gem § 30 Abs 2 Z 15 MRG ist als ein wichtiger Grund ua anzusehen, wenn ein Miethaus ganz oder in dem Teil, in dem sich der Mietgegenstand befindet, abgetragen oder umgebaut werden soll, mit dem Abbruch (Umbau) die Errichtung eines neuen (geänderten) Baues sichergestellt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Bauwerbers mit Bescheid erkannt hat, dass selbst unter Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen der bisherigen Mieter der geplante Neubau (Umbau) aus Verkehrsrücksichten, zu Assanierungszwecken, zur Vermehrung der Wohnungen, die zur Beseitigung oder Milderung eines im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfs oder eines qualitativen Wohnfehlbestandes geeignet sind, oder aus anderen Gründen im öffentlichen Interesse liegt und dem Mieter Ersatz beschafft wird.

Die im § 30 Abs 2 Z 15 MRG genannten Kriterien des quantitativen Wohnungsbedarfes und qualitativen Wohnfehlbestandes sind iSd § 4 BodenbeschaffungsG auszulegen. Im Verfahren zur Erlassung eines Interessenbescheides entfaltet eine auf Grundlage des § 5 Abs 2 BodenbeschaffungsG erlassene Verordnung keine Bindungswirkung, sie ist weder anwendbar noch präjudiziell. Zutreffend hat die belangte Behörde vielmehr erkannt, dass sie selbständig zu prüfen hatte, ob von einem quantitativen Wohnungsbedarf oder einem qualitativen Wohnfehlbestand ausgegangen werden kann. Zwar könnte in einem Verfahren zur Erlassung eines Interessenbescheides einer solchen Verordnung Relevanz iSe Erkenntnisquelle (eines Beweismittels) zukommen, das trifft aber hier nicht zu, weil es auf die aktuellen Verhältnisse ankommt, die Verordnung LGBl Nr 27/1975 aber schon mehr als 30 Jahre alt ist, weshalb daraus keine verlässlichen Rückschlüsse auf die aktuellen Verhältnisse gezogen werden können.

§ 4 Abs 2 BodenbeschaffungsG stellt auf eine Gegenüberstellung der Zahl der mangelhaft ausgestatteten Wohnungen zur Zahl der vorhandenen Wohnungen (iSd § 4 Abs 1 leg cit).

Hinsichtlich des quantitativen Wohnungsbedarfes unterscheidet § 4 Abs 1 BodenbeschaffungsG zwei Alternativen. Ein solcher Wohnungsbedarf liegt vor, wenn (erster Fall) in einer Gemeinde die Zahl der vorhandenen und der im Bau befindlichen Wohnungen die Zahl der Haushalte um nicht mehr als 3 % übersteigt oder (zweiter Fall) in einer Gemeinde 2 % der Wohnbevölkerung als Wohnungssuchende gemeldet und von der Gemeinde als solche anerkannt sind. Im ersten Fall kommt es daher ebenfalls auf objektive Kriterien an, im zweiten Fall nicht auf die Gesamtanzahl der Wohnungssuchenden überhaupt, sondern nur auf jene, die als Wohnungssuchende gemeldet und von der Gemeinde als solche anerkannt sind.

Von diesen Kriterien ist wiederum die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang thematisierte Frage zu unterscheiden, ob die von ihr geplanten Wohnungen überhaupt geeignet sind, (geeignete) Wohnräume iSd § 30 Abs 2 Z 15 MRG zu schaffen. Dies ist nämlich dann nicht der Fall, wenn Ziel der beabsichtigten Bauführung lediglich die Schaffung von Luxuswohnungen ist, und auch dann nicht, wenn durch das Vorhaben die Anzahl der Wohnungen oder die gesamte Wohnfläche nur geringfügig vermehrt wird. Der projektierte Neu- oder Umbau muss jedenfalls nach Art und Umfang geeignet sein, Wohnraum zu schaffen, der der Minderung der in einem bestimmten Ort bestehenden Wohnungsnot dient und es solcherart rechtfertigt, im Interesse der Allgemeinheit auch bestehende Mietrechte Einzelner aufzuheben.

Der Begriff der Assanierung in § 30 Abs 2 Z 15 MRG ist iSd StadterneuerungsG auszulegen. Das StadterneuerungG gilt gem § 1 Abs 2 leg cit auch für Gebäude außerhalb von Assanierungsgebieten. Die Voraussetzungen des § 1 Abs 2 StadterneuerungG müssen kumulativ gegeben sein. Hinsichtlich der Zahl der Wohnungen und der Ermittlung der Nutzflächen iSd § 1 Abs 2 Z 2 leg cit kommt es nicht auf einen (möglicherweise rechtswidrigen) faktischen Zustand an. Vielmehr ist in diesem Zusammenhang maßgeblich, ob die verschiedenen Flächen bzw Räumlichkeiten rechtmäßig als Wohnungen bzw Geschäftsräume genutzt werden.