06.04.2011 Arbeitsrecht

VwGH: Zur (amtswegigen) Versetzung in den Ruhestand nach § 14 BDG

Die Frage der Dienstunfähigkeit (dh der Unfähigkeit zur Erfüllung der dienstlichen Aufgaben am konkreten Arbeitsplatz bzw auf einem Verweisungsarbeitsplatz) ist dem Grunde nach auch dann zu bejahen, wenn durch die dienstliche Tätigkeit regelmäßig beachtliche Schmerzzustände hervorgerufen werden und daraus noch dazu eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu erwarten ist


Schlagworte: Beamtendienstrecht, Dienstunfähigkeit, (amtswegige) Versetzung in den Ruhestand, Sachverständige
Gesetze:

§ 14 BDG, § 1 DVG, § 52 AVG

GZ 2009/12/0196, 15.12.2010

VwGH: Nach der Rsp des VwGH ist die Frage der Dienstunfähigkeit des Beamten - auch nach der Novellierung des § 14 Abs 3 BDG durch das Bundes-Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz - zunächst in Ansehung seines aktuellen bzw des zuletzt innegehabten Arbeitsplatzes zu prüfen. Darunter ist jener Arbeitsplatz zu verstehen, welcher ihm zuletzt dienstrechtlich wirksam zugewiesen war. Maßgebend für eine Ruhestandsversetzung ist daher die Klärung der Frage der Dienstfähigkeit unter konkreter Bezugnahme auf die dienstlichen Aufgaben an diesem Arbeitsplatz (Primärprüfung). Ergibt diese, dass der Beamte nicht mehr in der Lage ist, die konkreten dienstlichen Aufgaben seines Arbeitsplatzes in diesem Sinn zu erfüllen, ist zu prüfen, ob die Möglichkeit einer Zuweisung eines tauglichen Verweisungsarbeitsplatzes nach § 14 Abs 3 BDG in Betracht kommt (Sekundärprüfung). Dabei spielt ua auch die körperliche und geistige (nunmehr: die gesundheitliche) Verfassung des Beamten und die Gleichwertigkeit des Verweisungsarbeitsplatzes eine Rolle.

Die Frage, ob eine dauernde Dienstunfähigkeit vorliegt oder nicht, ist nach stRsp eine Rechtsfrage, die nicht der ärztliche Sachverständige, sondern die Dienstbehörde zu entscheiden hat. Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen ist es, an der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes mitzuwirken, indem er in Anwendung seiner Sachkenntnisse Feststellungen über einen Gesundheitszustand des Beamten trifft und die Auswirkungen bestimmt, die sich aus festgestellten Leiden oder Gebrechen auf die Erfüllung dienstlicher Aufgaben ergeben. Dabei ist, um der Dienstbehörde eine Beurteilung des Kriteriums "dauernd" zu ermöglichen, auch eine Prognose zu erstellen. Die Dienstbehörde hat anhand der dem Gutachten zu Grunde gelegten Tatsachen die Schlüssigkeit des Gutachtens kritisch zu prüfen und einer sorgfältigen Beweiswürdigung zu unterziehen.

Die Frage der Dienstunfähigkeit (dh der Unfähigkeit zur Erfüllung der dienstlichen Aufgaben am konkreten Arbeitsplatz bzw auf einem Verweisungsarbeitsplatz) ist dem Grunde nach auch dann zu bejahen, wenn durch die dienstliche Tätigkeit regelmäßig beachtliche Schmerzzustände hervorgerufen werden und daraus noch dazu eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu erwarten ist. Diese Umstände müssen in einem ordnungsgemäßen Verfahren objektiviert werden.

Diese Ausführungen zur Funktion des medizinischen Sachverständigen im Ruhestandsversetzungsverfahren gelten ohne jede Einschränkung auch für Befund und Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt, wie sie in § 14 Abs 4 zweiter Satz BDG vorgesehen ist.

Das Gebot des § 14 Abs 4 BDG sieht vor, dass, soweit die Beurteilung eines Rechtsbegriffes im Abs 1 oder 3 von der Beantwortung von Fragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen oder berufskundlichen Fachwissens fallen, für die in § 17 Abs 1a des PoststrukturG zugewiesenen Beamten von der Pensionsversicherungsanstalt Befund und Gutachten einzuholen ist. An der Möglichkeit einer Heranziehung anderer Beweismittel als (ärztlicher oder berufskundlicher) Sachverständigengutachten hat die in § 14 Abs 4 BDG vorgesehene Einschaltung (hier:) der Pensionsversicherungsanstalt nichts geändert, ist diese doch nur für den Fall angeordnet, sofern die Beurteilung eines Rechtsbegriffes in § 14 Abs 1 oder 3 BDG von der Beurteilung einer Frage abhängt, die in das Gebiet ärztlichen oder berufskundlichen Fachwissens fällt, womit offenbar ein einheitliches Niveau bei der Beurteilung derartiger Fragen sichergestellt werden soll. Die Formulierung des Gesetzes lässt es aber zu, dass die Dienstunfähigkeit wie bisher uU auch allein oder iVm medizinischem bzw berufskundlichem Fachwissen unter Berücksichtigung sonstiger Tatsachen zu klären ist, deren Beurteilung nicht mit Hilfe des in § 14 Abs 4 BDG angesprochenen Fachwissens zu erfolgen hat.

Der VwGH hat in seiner bisherigen Rsp eine nach § 1 DVG iVm § 52 AVG gebotene verfahrensrechtliche Notwendigkeit, einen berufskundlichen Sachverständigen zur näheren Ausleuchtung der auf (Verweisungs-)Arbeitsplätzen zugewiesenen Aufgaben beizuziehen, dann nicht gesehen, wenn es nicht um die Verwendbarkeit des Beamten auf der Dienstbehörde vom Anforderungsprofil her nicht bekannten Arbeitsplätzen, insbesondere auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, ging, sondern um dessen Verwendung im Bereich der Dienstbehörde - auf von ihr organisatorisch eingerichteten und ihr folglich von den Anforderungen her bekannten Arbeitsplätzen, sodass von einem Mangel der erforderlichen Sachkunde iSd § 52 AVG und damit von der Notwendigkeit der Beiziehung eines Sachverständigen nicht gesprochen werden kann.

Soweit die Beschwerde ins Treffen führt, dass sich der Bf subjektiv in der Lage fühle, seine Tätigkeiten vollumfänglich auszuüben, kommt einer solchen subjektiven, laienhaften Einschätzung im Hinblick auf die vorliegenden Gutachten aus dem Bereich der Pensionsversicherungsanstalt keine beweiserhebliche Relevanz zu.

Das (eingeschränkte) Leistungskalkül des Bf stellt eine gutachtliche Aussage im engeren Sinn dar, kommt darin doch die anhand der Fachkunde des Sachverständigen gezogene Schlussfolgerung aus den Befunden auf die Leistungsfähigkeit zum Ausdruck. Die Behörde hat das Gutachten auf seine Schlüssigkeit, dh daraufhin zu überprüfen, ob das Gutachten den Gesetzen des richtigen, zur Erkenntnis der Wahrheit führenden Denkens entspricht. Fehler, die hier festzustellen sind, hat die Behörde durch Einholung ergänzender oder neuer gutachtlicher Äußerungen zu beseitigen.

Der Gesetzgeber hat im § 14 Abs 4 BDG die Einholung von Befund und Gutachten (fallbezogen:) von der Pensionsversicherungsanstalt vorgesehen und damit an das dort vorhandene System der Gutachtenserstattung und einer chefärztlichen Einschätzung angeknüpft. Unter diesem Gesichtspunkt besteht kein Bedenken eines Verstoßes gegen § 31 Abs 3 ÄrzteG.