12.12.2007 Arbeitsrecht

VwGH: Verfall des Erholungsurlaubes gem § 69 BDG und erweitertes Beschäftigungsverbot gem § 3 Abs 3 MSchG

Eine gemeinschaftsrechtskonforme Rechtsanwendung muss - um werdende Mütter, die vom (erweiterten) Beschäftigungsverbot betroffen sind, mit anderen Dienstnehmern gleich zu behandeln - ersteren ermöglichen, den Erholungsurlaub nach Ende des Beschäftigungsverbotes, und zwar innerhalb jenes Zeitrahmens zu konsumieren, um den sie gegenüber anderen (nicht schwangeren) Dienstnehmern durch die Auswirkungen des § 3 Abs 3 MSchG iVm § 3 Abs 1 leg cit verkürzt wurden


Schlagworte: Beamtendienstrecht, Verfall des Erholungsurlaubes, Beschäftigungsverbote für werdende Mütter
Gesetze:

§ 69 BDG, § 3 MSchG, Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsausbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen

GZ 2006/12/0167, 11.10.2007

Am 7. September 2005 stellte die Beschwerdeführerin folgendes Ansuchen: "Ich befinde mich seit 15.06.05 in vorzeitiger Schutzfrist wegen einer Risikoschwangerschaft und wurde diese bei der chefärztlichen Untersuchung vom 24.08.05 bis Eintreten der gesetzlichen Schutzfrist ausgeweitet. Deshalb kann von mir der Resturlaub 2004 diesjährig nicht konsumiert werden (voraussichtlicher Geburtstermin: 25.01.06) und wird deshalb um Urlaubserstreckung ersucht." Die Beschwerdeführerin äußerte ihre Absicht, den gesamten, ihr verbleibenden Urlaub (Urlaubsrest 2004, Urlaub 2005 und aliquoter Urlaub 2006) im Anschluss an die Schutzfrist und vor Inanspruchnahme von Karenzurlaub zu konsumieren. In den Verwaltungsakten findet sich eine Äußerung des Zentralen Personalbüros der Bundespolizeidirektion W, aus welcher hervorgeht, dass die rechtzeitige Inanspruchnahme des Erholungsurlaubes für das Jahr 2004 vor dem überraschenden Antritt der vorzeitigen Schutzfrist der Beschwerdeführerin aus dienstlichen Gründen nicht möglich gewesen sei.

VwGH: Das in § 3 MSchG umschriebene Recht ist ohne jeden Zweifel ein solches, welches - wie jenes auf Mutterschaftsurlaub - nach Maßgabe des Art 2 Abs 3 der Richtlinie 76/207/EWG Frauen gewährt wird, um sie bei Schwangerschaft und Mutterschaft zu schützen. Die Inanspruchnahme dieser Rechte darf daher für solche Frauen nicht zu Nachteilen bei den Arbeitsbedingungen führen. Es kann nun aber keinem Zweifel unterliegen, dass der von der belangten Behörde angenommene Verfall des Erholungsurlaubes mit Ablauf des Jahres 2005 im Hinblick auf die davor bestandene Unmöglichkeit, denselben seit Einsetzen des Beschäftigungsverbotes am 15. Juni 2005 noch zu konsumieren, einen Nachteil bei den Arbeitsbedingungen der Beschwerdeführerin (insbesondere gegenüber Männern, für die ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 3 MSchG nicht in Betracht kommt) darstellt. Dagegen vermag die belangte Behörde auch nicht mit Erfolg ins Treffen zu führen, dass die Beschwerdeführerin ja die Möglichkeit gehabt hätte, den Erholungsurlaub des Kalenderjahres 2004 noch vor dem (im Allgemeinen überraschenden) Beginn des Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs 3 MSchG zu konsumieren.

An diesem Ergebnis vermag auch der Hinweis der belangten Behörde auf die Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die Karenzurlaube im Verständnis des § 69 dritter Satz BDG in Anspruch nehmen, nichts zu ändern, zumal es hier nicht um eine Diskriminierung infolge der Inanspruchahme von Karenzurlaub, sondern um eine solche infolge der Betroffenheit vom (erweiterten) Beschäftigungsverbot geht.

Aus dem Vorgesagten folgt, dass das von der belangten Behörde erzielte Auslegungsergebnis des § 69 BDG den oben angeführten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen widerspräche. Eine gemeinschaftsrechtskonforme Rechtsanwendung muss - um werdende Mütter, die vom (hier: erweiterten) Beschäftigungsverbot betroffen sind, mit anderen Dienstnehmern gleich zu behandeln - ersteren ermöglichen, den Erholungsurlaub nach Ende des Beschäftigungsverbotes, und zwar innerhalb jenes Zeitrahmens zu konsumieren, um den sie gegenüber anderen (nicht schwangeren) Dienstnehmern durch die Auswirkungen des § 3 Abs 3 MSchG iVm § 3 Abs 1 leg cit verkürzt wurden, das ist hier der Zeitraum zwischen Einsetzen des Beschäftigungsverbotes am 15. Juni 2005 und dem 31. Dezember 2005.

Es kann dahinstehen, ob ein solches Auslegungsergebnis auch nach innerstaatlichem Recht erzielt werden könnte. Wäre dies nicht der Fall, so stünde die österreichische Rechtslage in Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht, welches das Diskriminierungsverbot nach Art 5 Abs 1 der Richtlinie 76/207/EWG jedenfalls nach Ablauf der Umsetzungsfrist darstellt. Dies hätte zur Folge, dass der erste Satz des § 69 BDG auf Grund des Anwendungsvorranges des Diskriminierungsverbotes seinerseits solange nicht zur Anwendung gebracht werden dürfte, bis der Beamtin der oben umschriebene Zeitraum zum Konsum ihres Erholungsurlaubes zur Verfügung gestanden ist.