05.05.2011 Zivilrecht

OGH: Übertragung der Obsorge an den Jugendwohlfahrtsträger gem § 213 ABGB trotz existierenden Familienmitgliedern?

Eine Übertragung der Obsorge an den Jugendwohlfahrtsträger ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie zur Sicherung des Kindeswohls unumgänglich ist


Schlagworte: Familienrecht, Übertragung der Obsorge an den Jugendwohlfahrtsträger, Kindeswohl
Gesetze:

§ 213 ABGB

GZ 8 Ob 14/10g, 23.11.2010

OGH: Zentrales Leitziel im Kindschaftsrecht und daher auch im Obsorgeverfahren ist das Kindeswohl (§ 178a ABGB). Dies wird etwa in § 176b ABGB betont, wonach in die elterliche Obsorge nur soweit eingegriffen werden darf, wie dies zur Sicherung des Kindeswohls erforderlich ist.

Die Übertragung der Obsorge an den Jugendwohlfahrtsträger darf gem § 213 ABGB nur erfolgen, wenn sich dafür nicht Verwandte oder andere nahe stehende oder sonst geeignete Personen (§ 187 ABGB) finden lassen. Die Eltern, Großeltern und Pflegeeltern haben auch nach § 145 ABGB Vorrang vor Dritten. Der Jugendwohlfahrtsträger soll vom Gericht daher nur subsidiär mit der Obsorge betraut werden. In Entsprechung des Grundsatzes der Familienautonomie soll den Familienmitgliedern die Obsorge solange gewahrt bleiben, als sich das mit dem Kindeswohl verträgt.

Im konkreten Fall steht selbst nach Ansicht des Rekursgerichts eine zur Pflege und Erziehung des Kindes grundsätzlich geeignete Großmutter zur Verfügung. Dieser kommt in einem solchen Fall gem den §§ 145, 187 und 213 ABGB grundsätzlich der Vorrang vor dem Jugendwohlfahrtsträger zu. Dass das Kind bei Dritten oder in sozialen Einrichtungen besser versorgt, betreut oder erzogen würde als bei seiner Großmutter, kann für sich allein einen Eingriff in die - hier: großelterliche - Obsorge nicht rechtfertigen. Der Revisionsrekurs weist im Ergebnis daher zutreffend darauf hin, dass die Übertragung der Obsorge an den Jugendwohlfahrtsträger hier nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn die begründete Aussage getroffen werden kann, dass andernfalls eine ernsthafte Gefahr für das Kindeswohl besteht.

Die Entscheidung über die Übertragung der Obsorge an den Jugendwohlfahrtsträger bedarf daher einer diese Aspekte berücksichtigenden fundierten Sachverhaltsgrundlage.

Nach der Rsp ist die mit einem Wechsel der Betreuung regelmäßig verbundene, meist aber vorübergehende Belastung des Kindes grundsätzlich in Kauf zu nehmen. Ob die hier für das Kind zu erwartende Belastung im Falle eines Pflegewechsels dieses Maß übersteigen würde, wurde aber bislang nicht geklärt.