OGH: Arzthaftung und Kausalität
Steht fest, dass ein Behandlungsfehler (dem die Erteilung einer unrichtigen ärztlichen Auskunft über die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung als potentiell schädigendes Verhalten durchaus gleich zu halten ist) vorliegt, genügt für den dem Kläger obliegenden Beweis der Kausalität zwischen Behandlungsfehler und Gesundheitsschaden der Nachweis, dass die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts durch den Fehler der Ärzte nicht bloß unwesentlich erhöht wurde
§§ 1295 ff ABGB
GZ 4 Ob 145/10t, 05.10.2010
OGH: Erfolgt die (behauptete) Schädigung durch ein Unterlassen, so ist Kausalität dann anzunehmen, wenn die Vornahme einer bestimmten aktiven Handlung das Eintreten des Erfolgs verhindert hätte. Es muss daher versucht werden, den hypothetischen Ablauf bei Vermeiden der Unterlassung durch Setzen des gebotenen Verhaltens herauszufinden. Das gebotene Verhalten ist hinzuzudenken. Die Anforderungen an den Beweis des bloß hypothetischen Kausalverlaufs sind geringer als die Anforderungen an den Nachweis der Verursachung bei einer Schadenszufügung durch positives Tun. Denn die Frage, wie sich die Geschehnisse entwickelt hätten, wenn der Schädiger pflichtgemäß gehandelt hätte, lässt sich naturgemäß nie mit letzter Sicherheit beantworten, weil dieses Geschehen eben nicht stattgefunden hat.
Für das Vorliegen eines Behandlungsfehlers und seine Kausalität in Bezug auf den eingetretenen Schaden ist der Patient beweispflichtig, wobei hier wegen der besonderen Schwierigkeiten eines exakten Beweises an den Kausalitätsbeweis geringere Anforderungen zu stellen sind, zumal ein festgestellter schuldhafter Behandlungsfehler auf einen nachteiligen Kausalverlauf geradezu hinweist. Aus diesem Grund wird in diesem Fall der Anscheinsbeweis als ausreichend angesehen, der darauf beruht, dass bestimmte Geschehensabläufe typisch sind und es daher wahrscheinlich ist, dass auch im konkreten Fall ein derartiger gewöhnlicher Ablauf und nicht ein atypischer gegeben ist. Es genügt, dass "überwiegende Gründe" für die Verursachung des Schadens sprechen.
Steht - wie hier - fest, dass ein Behandlungsfehler (dem die Erteilung einer unrichtigen ärztlichen Auskunft über die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung als potentiell schädigendes Verhalten durchaus gleich zu halten ist) vorliegt, genügt für den dem Kläger obliegenden Beweis der Kausalität zwischen Behandlungsfehler und Gesundheitsschaden der Nachweis, dass die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts durch den Fehler der Ärzte nicht bloß unwesentlich erhöht wurde. Dem Beklagten obliegt in diesem Fall der volle Beweis, dass die erwiesene Vertragsverletzung im konkreten Fall für die nachteiligen Folgen mit größter Wahrscheinlichkeit unwesentlich geblieben ist.