OGH: Organ iSd § 1 AHG
Ist eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur, so sind es auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen, seien sie auch bloß vorbereitender oder sonst hoheitlichen Zielsetzungen dienender Art, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe aufweisen; dies gilt auch im Fall der Anmaßung einer bestimmten Vollziehungskompetenz durch einen Rechtsträger, für Verhaltensweisen eines Organs in Überschreitung seines Befugniskreises, ja selbst bei strafgesetzwidrigen oder sonst deliktischen Organhandlungen
§ 1 AHG, § 9 Abs 5 AHG
GZ 1 Ob 208/10k, 23.02.2011
OGH: Nach stRsp des OGH kann eine Person, die in ihrem Erwerb oder Fortkommen durch Äußerungen eines Organs iSd § 1 AHG Schaden leidet, die Haftung dessen Rechtsträgers - Rechtswidrigkeit unterstellt - nach dem AHG in Anspruch nehmen; Widerrufsklage und Beseitigungsklage gegen das Organ sind dann unzulässig. Grundvoraussetzung ist somit, dass die Äußerungen von einem Organ iSd § 1 AHG getätigt worden sind.
Entscheidungswesentlich ist hier, ob die Beklagte in Wahrnehmung hoheitlicher oder privatwirtschaftlicher Aufgaben tätig wurde: Interviews stellen - ähnlich wie Rundschreiben und Presseaussendungen - ein "neutrales", nicht schon durch die Rechtsordnung in einer bestimmten Rechtsform geregeltes, nach außen in Erscheinung tretendes tatsächliches Verhalten dar. Sie können in gleicher Weise in der Hoheits- oder in der Privatwirtschaftsverwaltung vorkommen. Die Zuordnung solcher "Informationsrealakte" zur Hoheits- oder Privatwirtschaftsverwaltung wird durch deren Zugehörigkeit zum Kernbereich der jeweils in Betracht kommenden Verwaltungsmaterie vorgenommen. Entscheidend ist ihr hinreichend enger innerer und äußerer Zusammenhang zu einer bestimmten hoheitlichen oder privatwirtschaftlichen Materie. Ist ein nach Sachgesichtspunkten gegebener Zusammenhang zu einer hoheitlichen Materie zu bejahen, sind alle mit deren Erfüllung verbundenen - auch rein tatsächlichen - Verhaltensweisen einheitlich solche in Vollziehung der Gesetze.
Ist eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur, so sind es auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen, seien sie auch bloß vorbereitender oder sonst hoheitlichen Zielsetzungen dienender Art, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe aufweisen. Dies gilt auch im Fall der Anmaßung einer bestimmten Vollziehungskompetenz durch einen Rechtsträger, für Verhaltensweisen eines Organs in Überschreitung seines Befugniskreises, ja selbst bei strafgesetzwidrigen oder sonst deliktischen Organhandlungen.
In der Rsp des erkennenden Fachsenats wurden zahlreiche "Informationsrealakte" - wie hier die beiden Interviews - als Hoheitsakte qualifiziert. In sämtlichen Fällen handelte es sich um Äußerungen von Organen, die in einem engen Zusammenhang mit ihren hoheitlichen Aufgaben standen, und zwar sogar dann, wenn das Organ nicht im Rahmen seiner gesetzlichen Pflicht handelte bzw Befugnisse für sich in Anspruch nahm, die im materiellen Recht einer Grundlage entbehrten. Den hier zu beurteilenden Äußerungen der Beklagten liegt hingegen keine enge Nahebeziehung zur Ausübung (behaupteter) hoheitlicher Gewalt zugrunde. Zutreffend argumentiert das Rekursgericht, dass die Interviews nicht dem Zweck dienten, hoheitliches Handeln der interessierten Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen, wurden doch von der Beklagten keine aufsichtsbehördlichen Maßnahmen gegenüber der Stiftung ergriffen.
Dass die Beklagte die Interviews in ihrer Funktion als Landeshauptfrau gab, führt nicht dazu, dass sie bereits dadurch den Anschein hoheitlichen Handelns setzte. Den Äußerungen in den beiden Interviews ist weder zu entnehmen, dass sie die Öffentlichkeit über die (ordnungsgemäße) Wahrnehmung ihrer hoheitlichen Aufgaben informieren möchte, noch, dass sie als Aufsichtsbehörde erster Instanz über die Stiftung tätig wurde oder beabsichtigt, tätig zu werden. Anhaltspunkte für ein hoheitliches Einschreiten der Beklagten finden sich nicht. Daran ändert auch der Ort der Interviews (nämlich Amtsräume der Landesregierung) nichts. Die von der Klägerin beanstandeten Äußerungen der Beklagten sind daher mangels Vorliegens eines hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhangs mit als hoheitlich zu wertenden Aufgaben der privaten/privatwirtschaftlichen Sphäre der Beklagten zuzurechnen, weshalb eine Anwendung des § 9 Abs 5 AHG nicht in Betracht kommt.
Die Zulässigkeit des Rechtswegs für die vorliegende Klage nach § 1330 ABGB ist somit vom Rekursgericht zu Recht bejaht worden.