OGH: § 20 Abs 1 Satz 1 StVO - Fahren auf Sicht (hier: bei Dunkelheit mit Abblendlicht auf Freilandstraße)
Fährt ein Kraftfahrer bei Dunkelheit mit Abblendlicht, dann hat er, soweit nicht besondere Umstände die Sicht über die vom Abblendlicht erleuchtete Strecke hinaus ermöglichen (zB wenn die Fahrbahn durch vorausfahrende und entgegenkommende Fahrzeuge entsprechend ausgehellt wird), grundsätzlich mit einer Geschwindigkeit zu fahren, die ihm das Anhalten seines Fahrzeugs innerhalb der Reichweite des Abblendlichts gestattet
§§ 1295 ff ABGB, § 20 Abs 1 StVO
GZ 2 Ob 109/10h, 17.02.2011
OGH: Der aus § 20 Abs 1 Satz 1 StVO abgeleitete Grundsatz des Fahrens auf Sicht bedeutet, dass ein Fahrzeuglenker seine Fahrgeschwindigkeit so zu wählen hat, dass er sein Fahrzeug beim Auftauchen eines Hindernisses rechtzeitig zum Stehen bringen und zumindest das Hindernis umfahren kann. Jeder Kraftfahrer muss daher seine Fahrweise so gestalten, dass der Weg des abzubremsenden Fahrzeugs in der Zeit vom Erkennen eines Hindernisses auf der Fahrbahn bis zum vollen Stillstand des Fahrzeugs nie länger als die durch ihn eingesehene Strecke ist. Diese Pflicht besteht auch auf Freilandstraßen.
Fährt ein Kraftfahrer bei Dunkelheit mit Abblendlicht, dann hat er, soweit nicht besondere Umstände die Sicht über die vom Abblendlicht erleuchtete Strecke hinaus ermöglichen, grundsätzlich mit einer Geschwindigkeit zu fahren, die ihm das Anhalten seines Fahrzeugs innerhalb der Reichweite des Abblendlichts gestattet. Fährt er mit höherer Geschwindigkeit, dann hat er Fernlicht zu verwenden. Darf er dies nicht, weil der Lenker eines entgegenkommenden Fahrzeugs geblendet werden könnte (§ 99 Abs 4 lit c KFG), dann hat er mit entsprechend geringerer Geschwindigkeit zu fahren. Wird die Fahrbahn durch vorausfahrende und entgegenkommende Fahrzeuge entsprechend ausgehellt, wird das Gebot des Fahrens auf Sicht nicht verletzt.
§ 20 Abs 1 StVO ist eine Schutznorm, die allen Gefahren des Straßenverkehrs vorbeugen soll, die eine überhöhte Geschwindigkeit mit sich bringt. Den nach stRsp des OGH dem Schädiger obliegenden Beweis, dass ihm die objektive Übertretung einer Schutznorm nicht als schutzgesetzbezogenes Verhaltensunrecht anzulasten ist, etwa weil ihn an der Übertretung kein Verschulden traf oder der Schaden auch im Fall vorschriftsmäßigen Verhaltens eingetreten wäre, haben die beklagten Parteien nicht einmal angetreten.