17.03.2011 Zivilrecht

OGH: Zur schlüssigen Vereinbarung eines dinglichen Wohnungsrechts unter Familienangehörigen

Unter Familienangehörigen wird zwar nicht jene Bestimmtheit von Willenserklärungen verlangt, wie dies im Geschäftsverkehr zwischen fremden Personen der Fall ist; entscheidend dafür, ob eine vertragliche Rechtsgrundlage für die Wohnungsbenützung oder ein familienrechtliches Wohnverhältnis vorliegt, bleibt aber immer die aus den gewechselten Erklärungen oder dem gesetzten Verhalten objektiv zu erschließende beiderseitige Rechtsgeschäftsabsicht


Schlagworte: Servitut, Wohnungsrecht, Begründung, Familiengehörigen
Gesetze:

§ 521 ABGB

GZ 1 Ob 172/10s, 15.12.2010

OGH: Unter Familienangehörigen wird zwar nicht jene Bestimmtheit von Willenserklärungen verlangt, wie dies im Geschäftsverkehr zwischen fremden Personen der Fall ist. Entscheidend dafür, ob eine vertragliche Rechtsgrundlage für die Wohnungsbenützung oder ein familienrechtliches Wohnverhältnis vorliegt, bleibt aber immer die aus den gewechselten Erklärungen oder dem gesetzten Verhalten objektiv zu erschließende beiderseitige Rechtsgeschäftsabsicht. Es hätte eines Verhaltens der Parteien bedurft, aus dem sich unmissverständlich ergeben hätte, dass sie ein obligatorisches oder dingliches Wohnrecht als vereinbart ansehen wollten. Im vorliegenden Fall steht aber lediglich fest, dass die Eltern den Klägern die Benutzung der im Obergeschoss (bereits vorhandenen) Räume angeboten haben, diese einzogen, über eine rechtliche Regelung ihres Wohnens nichts gesprochen wurde und es beide Teile dabei beließen, dass die Kläger die Räume bewohnten und Investitionen tätigten. Aus diesen Feststellungen ist objektiv nicht unzweifelhaft auf eine Rechtsgeschäftsabsicht zu erschließen.

Selbst aus den von den Klägern getätigten Investitionen ist nicht abzuleiten, es liege eine vertragliche Rechtsgrundlage für die Wohnungsbenutzung vor, weil derartige Investitionen gleichermaßen im Rahmen eines ungeregelten, sich aus dem verwandtschaftlichen Naheverhältnis ergebenden tatsächlichen Zustands denkbar sind. Dies gilt auch wenn die Aufwendungen für das ganze Haus in der irrigen Annahme getätigt wurden, das gesamte Objekt später zu erwerben.

Dem Umstand, dass die Mutter des Erstklägers keine Maßnahmen ergriff, als ihre Aufforderung, die Wohnung zu räumen erfolglos geblieben war, kann kein Erklärungswert beigemessen werden, der eindeutig und unzweifelhaft darauf gerichtet gewesen wäre, sie habe den Klägern doch ein lebenslanges Wohnrecht einräumen wollen. Dass die Kläger einen Beitrag zu den Betriebskosten leisteten, bewirkt weder das Entstehen eines obligatorischen oder dinglichen Wohnrechts, noch ein "Umschlagen" in ein Bestandverhältnis.

Der von den Klägern in ihrer Revisionsbeantwortung zitierten Entscheidung 7 Ob 207/97k lag ein Anbot von Eltern an den Sohn zu Grunde, dieser könne sich auf seine Kosten den Dachboden im elterlichen Haus als Wohnung ausbauen; die Eltern gestanden den Abschluss einer Vereinbarung über die Nutzungsdauer zu ("solange sich der Sohn anständig und gebührlich aufführe"). Demgegenüber fehlt im vorliegenden Fall jegliche Vereinbarung; die Wohnung wurde auch weder erst durch einen Dachausbau (gänzlich) neu geschaffen, noch steht fest, dass sie zwecks Abgeltung der Investitionen zur Verfügung gestellt wurde.

Lassen die Gegebenheiten auf eine aus dem Zusammengehörigkeitsgefühl unter nahen Familienangehörigen entspringende rein tatsächliche Benützungsgewährung schließen, wäre es Sache der Kläger gewesen, Umstände darzulegen und zu beweisen, die doch einen unzweifelhaften Schluss auf das Vorliegen eines Rechtstitels zulassen. Diesen Beweis haben sie nicht erbracht. Es ist deshalb von einem rein familienrechtlichen Wohnverhältnis auszugehen, das rechtlich nicht geregelt, gegen den Willen des Gewährenden nicht rechtlich durchsetzbar und jederzeit widerrufbar ist.