17.03.2011 Zivilrecht

OGH: Verbandsklage iZm Vordrucke für Reparaturaufträge im Elektronikfachhandel (Anführung der Herstellergarantie ohne Hinweis auf Gewährleistungsrechte)

Wenn der Verbraucher auf die ihm gegenüber der beklagten Partei als Übergeber zustehenden Gewährleistungsrechte nicht hingewiesen wird, wird dem sich aus § 6 Abs 3 KSchG ergebenden Vollständigkeitsgebot nicht Rechnung getragen


Schlagworte: Konsumentenschutzrecht, AGB, Transparenzgebot, Reparaturaufträge, Garantie, Gewährleistung
Gesetze:

§ 6 Abs 3 KSchG, § 9b KSchG, §§ 922 ff ABGB

GZ 1 Ob 164/10i, 23.11.2010

Die beklagte Partei betreibt bundesweit einen Handel im Bereich Unterhaltungselektronik, Foto und Optik. Die von ihr verwendeten Vordrucke für Reparaturaufträge enthalten ua folgende Bestimmungen:

"Garantie-Antrag: Wenn die Kosten aus welchen Gründen auch immer vom Hersteller nicht gedeckt werden, werden die gesamten entstandenen Kosten vom Kunden übernommen.

Reparaturbedingungen: Reparaturen können nur gegen sofortige Bezahlung ausgefolgt werden. Reklamationen bitten wir innerhalb von drei Tagen bekannt zu geben, da diese sonst nicht mehr anerkannt werden können. Für die auf den Geräten gespeicherten Daten und Einstellungen übernehmen wir keine Haftung. Für nicht abgeholte Geräte müssen wir uns vorbehalten, diese nach 6 Monaten zu veräußern. Der Kunde bestätigt und akzeptiert die Bedingungen des L*****kaskos. Eventuelle Selbstbehalte werden anerkannt oder die Reparatur/der Ersatz nicht durchgeführt."

OGH: Zur Klausel 1:Voranzustellen ist, dass bei einer vertraglichen Garantie der Übergeber oder ein Dritter (zB der Hersteller oder Importeur) seine Verpflichtung erklärt, eine mangelhafte Sache zu verbessern, auszutauschen, den Kaufpreis zu ersetzen oder sonst Abhilfe zu schaffen. Die Verpflichtung aus der Garantie tritt zur gesetzlichen Gewährleistungsverpflichtung des Übergebers hinzu.

Wenn der Verbraucher auf die ihm gegenüber der beklagten Partei als Übergeber zustehenden Gewährleistungsrechte nicht hingewiesen wird, wird dem sich aus § 6 Abs 3 KSchG ergebenden Vollständigkeitsgebot nicht Rechnung getragen. Ohne diesen Hinweis bleibt für den Verbraucher unklar, ob die gesetzliche Gewährleistungspflicht der beklagten Partei neben der vertraglichen Garantiezusage besteht oder durch diese eingeschränkt oder gar ausgeschlossen ist. Zwecks Vermeidung gerade dieser Irreführung normiert § 9b Abs 1 KSchG ausdrücklich die Verpflichtung des Garanten, den Verbraucher auf dessen gegenüber dem Übergeber bestehenden gesetzlichen Gewährleistungsrechte sowie darauf hinzuweisen, dass diese durch die Garantie nicht eingeschränkt werden. Fehlt der Hinweis auf die gesetzliche Gewährleistungspflicht der beklagten Partei, ist die Klausel geeignet, dem Kunden ein unzutreffendes Bild seiner Position als Gewährleistungsberechtigter zu vermitteln und den Eindruck zu erwecken, es werde neben der Garantie des Herstellers keine (zusätzliche) Mängelhaftung des Übergebers geboten; der Verbraucher kann so von der Durchsetzung seiner Gewährleistungsrechte abgehalten werden. Diese Auswirkungen ergeben sich selbst dann, wenn man davon ausgehen wollte, dass einem für die Vertragsart typischen Verbraucher der Unterschied zwischen Gewährleistung und Garantie bekannt ist. Das von der beklagten Partei selbst der Klausel beigelegte Verständnis (nach dem auf ihr Schuldverhältnis zum Kunden die §§ 922 f ABGB und § 8 KSchG anzuwenden seien) ist im Verbandsprozess nicht maßgeblich. Aus diesen Gründen entspricht die Beurteilung der zweiten Instanz, es fehle der Klausel die erforderliche Transparenz iSd § 6 Abs 3 KSchG, der Rsp des OGH.

Zur Klausel 2:Dass das Berufungsgericht dem Einwand der beklagten Partei, die Klausel stelle eine der Prüfung im Verbandsprozess nicht unterliegende "Tatsachenbestätigung" dar, nicht folgte, wirft schon deshalb, weil es auf der Hand liegt, dass die Erklärung des Kunden, Vertragsbedingungen zu "akzeptieren", geeignet ist, Rechtsfolgen herbeizuführen, keine erheblichen Rechtsfragen auf.

Auch in ihrer Revision gesteht die beklagte Partei zu, dass im Reparaturauftrag auf die Bedingungen des "L*****kaskos" verwiesen werde, ohne dass diese Bedingungen dem Kunden zwecks Kenntnisnahme zur Verfügung gestellt würden. Wird aber in einer Klausel auf eine andere (dem Kunden nicht vorliegende) Norm verwiesen, ist die Klausel grundsätzlich als unvollständig zu qualifizieren; sie entspricht nicht dem Erfordernis, dass sich der Inhalt einer Vertragsbestimmung aus dieser selbst ergeben muss. Für den Kunden bleibt gänzlich offen, welchen Inhalt die Bedingungen des "L*****kaskos" haben. Die Auswirkungen seiner Erklärung sind wegen der Unbestimmtheit des Inhalts nicht absehbar, sodass für ihn die Tragweite der Klausel nicht "durchschaubar" ist.

Entgegen der Auffassung der beklagten Partei wird die strittige Klausel auch nicht durch das Vorbringen klarer, sie finde ausschließlich dann Verwendung, wenn der Kunde angegeben habe, anlässlich des Kaufvertrags bereits ein "L*****kasko" abgeschlossen zu haben. Wird nämlich eine an sich intransparente Klausel nur aufgrund zusätzlicher Darlegungen des Unternehmers ausreichend verständlich gemacht, hat dies keinen Einfluss auf die gerichtliche Beurteilung der Klausel aufgrund einer Verbandsklage. Im Verbandsprozess kann zudem auf individuelle Vereinbarungen, die zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher geschlossen wurden, keine Rücksicht genommen werden. Wie schon die Vorinstanzen aufgezeigt haben, bliebe außerdem offen, ob die Bedingungen des "L*****kaskos" in jener Fassung gelten sollen, die zum Zeitpunkt des Ankaufs der Ware in Geltung stand oder in einer zwischenzeitig allenfalls geänderten Fassung. Dass - wie die beklagte Partei vermeint - lediglich auf die bereits bei Ankauf der Ware abgeschlossenen Bedingungen in deren zum damaligen Zeitpunkt geltenden Fassung hingewiesen werde, ist für den mit der Klausel konfrontierten Kunden nicht erkennbar. Der Grundsatz, im Rahmen der Verbandsklage habe die Auslegung von Klauseln im "kundenfeindlichsten" Sinn zu erfolgen, lässt eine Auslegung iS dieses Standpunkts der beklagten Partei nicht zu. Die Ansicht des Berufungsgerichts, auch diese Klausel sei wegen Verstoßes gegen § 6 Abs 3 KSchG nichtig, hält sich somit im Rahmen der bisherigen Rsp.