OGH: Löst ein Erbschaftskauf das Vorkaufsrecht aus?
Der Erbschaftskauf stellt eine "andere Veräußerungsart" iSd § 1078 ABGB dar, auf die sich das Vorkaufsrecht ohne besondere Vereinbarung nicht ausdehnen lässt
§§ 1072 ff ABGB, § 1278 ABGB, § 879 ABGB
GZ 4 Ob 218/10b, 18.01.2011
OGH: Der OGH sprach zu 5 Ob 64/64 unter ausdrücklicher Ablehnung der gegenteiligen Ansicht von Bettelheim aus, dass ein Erbschaftskauf das Vorkaufsrecht nicht auslöse. Gegenstand des zwischen dem Erben und dem Beklagten abgeschlossenen Erbschaftskaufs sei die Erbschaft gewesen, nicht aber ein Liegenschaftsanteil, an dem dem Kläger ein Vorkaufsrecht zustehe. Sei damit schon die Verschiedenheit des Gegenstands der in Betracht kommenden Rechtsgeschäfte nicht zu verkennen, so kommen dazu noch die besonderen Wirkungen des Erbschaftskaufs für den Erwerber, die über die eines bloßen Kaufs einer mit einem Vorkaufsrecht belasteten Liegenschaft oder eines Teils einer solchen weit hinausgingen. Er trete nicht nur in die Rechte des Verkäufers, sondern auch in dessen Verbindlichkeiten als Erbe ein, er trete an seiner Stelle in das Verlassenschaftsverfahren ein, er habe die allenfalls noch nicht abgegebene Erbserklärung abzugeben, an ihn habe die Einantwortung zu erfolgen und er werde Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers. In diesem Rechtsgeschäft müsse daher eine "andere Veräußerungsart" iSd § 1078 ABGB erblickt werden, auf die sich das Vorkaufsrecht ohne besondere Vereinbarung nicht ausdehnen lasse.
Dieser Rechtsauffassung ist die ganz überwiegende Lehre beigetreten. Lediglich Binder meldet Zweifel an der Beurteilung an, wonach der Erbschaftskauf kein Vorkaufsfall sei. Vielmehr sei gem § 1077 ABGB zu prüfen, ob nicht der Vorkaufsberechtigte in den Erbschaftskauf eintreten oder zumindest die aus der Veräußerung des gesamten Nachlasses resultierenden Vorteile abgelten könne. Bezug genommen wird hiebei auf die mit dem vorliegend zu beurteilenden Fall nicht vergleichbare Situation, dass allein die mit dem Vorkaufsrecht belegte Sache das Nachlassaktivum bildet und überhaupt keine Nachlassverbindlichkeiten existieren. Im vorliegenden Fall umfasste der Nachlass nicht nur einen weiteren Liegenschaftsanteil sowie Bankguthaben, sondern auch beträchtliche bekannte Schulden; darüber hinaus befürchtete der Testamentserbe aufgrund der (chaotischen) Geschäftstätigkeit der Erblasserin weitere erhebliche Nachlassverbindlichkeiten.
Das Umgehungsgeschäft wird nicht nur (wie das Scheingeschäft) vorgegeben, sondern von den Parteien wirklich gewollt und auch realisiert, wenngleich nicht um dieses Geschäfts willen, sondern zur Sicherstellung des wirtschaftlichen Erfolgs eines anderen, aus Verbotsgründen oder Zweckmäßigkeitsüberlegungen nicht abgeschlossenen Geschäfts. Es genügt, dass das Umgehungsgeschäft objektiv den Sinn und Zweck der umgangenen Norm vereitelt, auf eine spezielle Umgehungsabsicht der Parteien kommt es nicht an.
Der vom Berufungsgericht aus den getroffenen Feststellungen gezogene Schluss, dass gerade das durchgeführte Geschäft (Erbschaftskauf) im Hinblick auf dessen Rechtsfolgen (Gesamtrechtsnachfolge) von den Parteien bezweckt war und somit kein Umgehungsgeschäft vorlag, ist nicht zu beanstanden. Daran kann von vornherein nichts ändern, dass bei einer anderen Vertragskonstruktion andere Rechtsfolgen eingetreten wären, etwa der Vorkaufsfall ausgelöst worden wäre.
Die Verneinung des Vorkaufsfalls mangels Vorliegens eines Umgehungsgeschäfts und weil der Erbschaftskauf selbst keinen Vorkaufsfall bildet, führt dazu, dass der vom Kläger erhobene Abforderungsanspruch gegen den Beklagten als Dritterwerber nach § 1079 zweiter Satz ABGB nicht inhaltlich geprüft werden muss.