OGH: Zur Entziehung der Obsorge iZm Kindeswohl
Je älter ein bereits einsichts- und urteilsfähiges Kind ist, desto eher ist seinem Wunsch nach einem Obsorgewechsel zu entsprechen; grundsätzlich ist etwa ab dem 12. Lebensjahr von der Urteilsfähigkeit eines Kindes bezüglich einer Obsorgezuteilung auszugehen
§ 176 ABGB, § 177 ABGB, § 177a ABGB, § 144 ABGB
GZ 7 Ob 182/10f, 29.09.2010
OGH: Nach stRsp soll die einmal getroffene Regelung, welchem Elternteil alle aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten (§ 144 ABGB) allein zustehen sollen, nicht bereits bei geringfügigen Veränderungen der Interessenlage, sondern nur dann geändert werden, wenn das Wohl des Kindes gefährdet ist, wenn also im Interesse des Kindes ein Wechsel in den Pflege- und Erziehungsverhältnissen dringend geboten ist, wobei bei der Beurteilung dieser Frage ein strenger Maßstab angelegt werden muss. Nach stRsp ist die Entziehung der Obsorge demnach nur dann geboten, wenn der das Kind betreuende Elternteil seine Erziehungspflichten vernachlässigt, seine Erziehungsgewalt missbraucht oder den Erziehungsaufgaben nicht gewachsen ist. Ob dies zutrifft, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
Zwar trifft es zu, dass einem mündigen Kind nicht gegen seinen Willen die Erziehung durch einen Elternteil aufgezwungen werden soll. Je älter ein bereits einsichts- und urteilsfähiges Kind ist, desto eher ist demnach seinem Wunsch nach einem Obsorgewechsel zu entsprechen. Grundsätzlich ist etwa ab dem 12. Lebensjahr von der Urteilsfähigkeit eines Kindes bezüglich einer Obsorgezuteilung auszugehen. Im vorliegenden Fall ist nun aber das Rekursgericht, das sich mit dieser Frage eingehend auseinandergesetzt hat, zur Ansicht gelangt, die (nunmehr 12 und 13 Jahre alten) Kinder hätten keineswegs unbeeinflusst und reflektiert ihren freien Willen geäußert, sondern seien aufgrund eingeschränkter Reife nicht in der Lage gewesen zu beurteilen, welcher Elternteil zur Obsorge besser geeignet sei. Das Rekursgericht folgte dabei dem psychologischen Gutachten der beigezogenen Sachverständigen, die nach Durchführung diverser Testverfahren die Beibehaltung der Obsorge durch die Mutter empfohlen hat.