13.01.2011 Zivilrecht

OGH: § 3 Abs 2 Z 2 iVm § 6 Abs 1a MRG - zur Frage, ob die Erhaltungspflicht des Vermieters bei Gesundheitsgefährdung nur dann greift, wenn damit ein besonderer Aufwand verbunden ist

Die Zuordnung einer Erhaltungsmaßnahme nach § 3 Abs 2 Z 2 zweiter Fall MRG in den Pflichtenkreis des Vermieters hängt nicht von der Höhe des dafür erforderlichen Aufwands ab


Schlagworte: Mietrecht, Erhaltungspflicht des Vermieters, erhebliche Gesundheitsgefährdung, zumutbare Maßnahmen
Gesetze:

§ 3 Abs 2 Z 2 MRG, § 6 Abs 1a MRG

GZ 5 Ob 174/10i, 21.10.2010

Im Bad der Wohnung der Mieterin ist im Bereich der Badewanne eine Wandleuchte montiert. Es fehlt ein Zusatzschutz, konkret ein Fehlerstromschutzschalter mit einem Auslösestrom von 30 mA. Aufgrund dieses fehlenden Schutzes besteht erhebliche Gesundheitsgefährdung der Mieterin wegen Gefahr eines Stromschlags.

OGH: Damit ein gesundheitsgefährlicher Mangel in die Erhaltungspflicht des Vermieters fällt, ist einerseits vorausgesetzt, dass die Gefährdung vom Mietgegenstand ausgeht, also ihre Wurzel im Zustand des Mietobjekts selbst hat. Von außen in den Mietgegenstand eindringender Straßenlärm oder ähnliches soll demnach keine Erhaltungspflicht des Vermieters auslösen. Weiters muss es sich um eine "erhebliche" Gefahr für die Gesundheit der Bewohner handeln, womit nach den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebracht werden sollte, "dass Bagatellbeeinträchtigungen, die nur bei übergroßer Sensibilität spürbar sind, nicht von der Erhaltungspflicht des Vermieters umfasst sind".

Dass diese Voraussetzung bei der Gefahr eines Stromschlags durch Berührung eine erhebliche Gefährdung in diesem Sinne ist, haben schon die Vorinstanzen zutreffend erkannt.

Eine analoge Heranziehung der Voraussetzungen für die Maßgeblichkeit der Ernstlichkeit des Schadens des Hauses, wie in § 3 Abs 2 Z 2 erster Fall MRG weiterhin normiert, also eine Berücksichtigung des Ausmaßes des Aufwands für die Schadensbehebung lässt sich schon deshalb nicht begründen, weil beide Tatbestände unterschiedliche Voraussetzungen aufweisen und unterschiedliche Teile des Gesamtobjekts zum Gegenstand haben. Während es im einen Fall um die dem Vermieter obliegende Erhaltung der Bausubstanz geht, handelt es sich im anderen Fall um eine Behebung von Schäden im Inneren des Bestandobjekts. Die neue gesetzliche Regelung über die Erhaltungspflicht bei erheblicher Gesundheitsgefährdung hatte va den Zweck, die Unausgewogenheit zu beseitigen, die nach alter Rechtslage zur Ungleichbehandlung des Rechtsguts der körperlichen Unversehrtheit der Hausbewohner mit dem Interesse an der Erhaltung der Gebäudesubstanz einherging. Durch die neue gesetzliche Regelung sollte die erhebliche Gesundheitsgefährdung der Bewohner des Hauses der Behebung von ernsten Schäden des Hauses gleichgestellt werden, was sich nicht zuletzt auch aus der Neufassung des § 3 Abs 1 MRG ergibt. "Erheblich" bezieht sich damit eindeutig auf das Ausmaß der Gesundheitsgefährdung, nicht aber auf das Ausmaß des dafür erforderlichen Aufwands.

Eine weiters in diesem Zusammenhang zu erörternde Voraussetzung ergibt sich aus § 6 Abs 1a MRG, wonach dem Vermieter Arbeiten zur Beseitigung einer erheblichen Gesundheitsgefährdung nur aufgetragen werden können, wenn sich diese "nicht durch andere, den Bewohnern des Hauses zumutbare Maßnahmen abwenden lässt".

Die Intention dieser Bestimmung liegt darin, die Pflicht des Vermieters zur Abwendung von Gesundheitsgefahren in einem gewissen Maß abzumildern. Der Gesetzgeber positivierte damit eine vom erkennenden Senat iZm einem Begehren auf Ersetzung sämtlicher Bleileitungen eines Hauses getroffene Abwägung. Weil bei einem Wasservorlauf von nur einer Minute bei einer Wasserentnahmestelle der Mangel der Bleikontamination des Trinkwassers zu beseitigen war, wurde das Bestehen eines Baugebrechens iSd § 3 Abs 2 Z 1 MRG idF vor der WRN 2006 verneint. Diesen Gedanken der Zumutbarkeit griff der Gesetzgeber in der neu geschaffenen Bestimmung des § 6 Abs 1a MRG auf.

Dabei stellt schon der Gesetzeswortlaut klar, dass es nicht um den Aufwand der Maßnahme selbst geht, sondern darum, dass andere Maßnahmen, die den Bewohnern des Hauses zumutbar sind, die Gesundheitsgefährdung abwenden können, also um effektive Alternativmaßnahmen. Dass solche bei der Gefahr möglicherweise tödlicher Stromstöße bestünden, ist nicht evident.