25.11.2010 Zivilrecht

OGH: Zweite Berufsausbildung des Kindes auf Kosten des Unterhaltspflichtigen (iZm erfolgloser Arbeitssuche)?

Einem Kind kann dann eine zweite Berufsausbildung gegen den Willen, jedoch (ganz oder teilweise) dennoch auf Kosten des Unterhaltspflichtigen zugebilligt werden, wenn es eine ernsthafte Neigung und besondere Eignung sowie ausreichenden Fleiß für eine derartige weitere Ausbildung erkennen lässt, und die sichere Erwartung eines besseren Fortkommens im angestrengten neuen Beruf besteht; die erfolglose Arbeitsplatzsuche allein lässt die Unterhaltspflicht nicht ad infinitum andauern, sondern kann für den bisher Unterhaltsberechtigten die Verpflichtung bestehen, eine den Lebensunterhalt sichernde Hilfsarbeitertätigkeit anzunehmen


Schlagworte: Familienrecht, Unterhalt, zweite Berufsausbildung, erfolglose Arbeitssuche
Gesetze:

§ 140 ABGB

GZ 9 Ob 37/10x, 28.07.2010

Der Vater bringt vor, die Antragsgegnerin habe durch Absolvierung der Handelsschule eine abgeschlossene Berufsausbildung, dennoch habe sie eine weitere Berufsausbildung als EDV-Kauffrau begonnen. Er sei nicht bereit und verpflichtet, diese weitere Ausbildung zu finanzieren. Diesem Vorbringen hält die Antragsgegnerin entgegen, dass es ihr nicht möglich gewesen sei, einen Arbeitsplatz zu finden, sodass sie sich entschlossen habe, den mit wesentlich höheren Berufschancen ausgestatteten Beruf einer EDV-Kauffrau zu erlernen.

OGH: Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Passage im Beschluss des Erstgerichts "laut ihren Angaben konnte der Antragsgegnerin vom Arbeitsmarktservice eine Arbeitsstelle nicht vermittelt werden" als Feststellung aufzufassen ist, reicht diese für sich noch nicht aus, um den Berufsausbildungswechsel rechtfertigen zu können. Da die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten gem § 140 Abs 1 ABGB nach ihren Kräften anteilig beizutragen haben, ist der zumutbaren Belastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils aufgrund seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besondere Beachtung zu schenken, wenn die Frage zu beantworten ist, ob dieser die Kosten einer zweiten Berufsausbildung des Kindes mehr oder weniger zu tragen hat. Soweit liegt also eine Verschränkung der für die Ermittlung eines Unterhaltsanspruchs des Kindes gem § 140 Abs 1 und Abs 3 ABGB zu beachtenden Voraussetzungen vor. Maßgeblich sind nicht nur die Lebensverhältnisse des geldunterhaltspflichtigen Elternteils, sondern auch jene des Kindes. Das bedeutet grundsätzlich, dass der Unterhaltsanspruch erlischt, wenn das Kind die Ausübung einer zumutbaren Erwerbstätigkeit nach Abschluss seiner Berufsausbildung unterlässt, obwohl es eine solche aufgrund der konkreten Verhältnisse des Arbeitsmarkts tatsächlich ausüben könnte und nicht besondere Gründe für das Weiterbestehen der Unterhaltspflicht sprechen. Das Wiederaufleben eines nach diesen Gesichtspunkten erloschenen Unterhaltsanspruchs oder dessen Weiterbestehen ist an strengere Voraussetzungen als an jene gebunden, die für die Finanzierung der Erstausbildung maßgeblich sind. Danach kann einem Kind dann eine zweite Berufsausbildung gegen den Willen, jedoch (ganz oder teilweise) dennoch auf Kosten des Unterhaltspflichtigen zugebilligt werden, wenn es eine ernsthafte Neigung und besondere Eignung sowie ausreichenden Fleiß für eine derartige weitere Ausbildung erkennen lässt, und die sichere Erwartung eines besseren Fortkommens im angestrengten neuen Beruf besteht.

Im vorliegenden Fall steht zum einen noch nicht ausreichend fest, welche Bemühungen, außer der Tatsache, arbeitsuchend gewesen zu sein, die Antragsgegnerin konkret unternommen hat, insbesondere ob sich ihre Arbeitssuche nur auf die unmittelbare Umgebung ihres Wohnorts oder aber auch auf zumutbare weiter entfernt liegende Orte erstreckt hat. Darüber hinaus wird als wesentlich festzustellen sein, ob - wie behauptet - eine allfällige Erfolglosigkeit der Suche darin begründet war, dass die Handelsschulausbildung allein als nicht ausreichend angesehen wird. Es fehlen aber auch Feststellungen, ob und inwieweit der Antragsgegnerin eine entsprechende Neigung für den neuen Berufswunsch zugemessen werden kann und ob der Beruf, der nunmehr angestrebt wurde, die sichere Erwartung eines besseren Fortkommens in sich birgt. Sollte sich herausstellen, dass entweder die Antragsgegnerin über die besondere Eignung für den zweiten Berufswunsch nicht verfügt (- ein einziges "Genügend" im Jahreszeugnis lässt diesen Schluss wohl noch nicht zu -) oder aber keine erheblich besseren Berufschancen gegenüber der Erstausbildung bestehen (- was allenfalls durch ein berufskundliches Gutachten geklärt werden kann -), wird auch die Rsp zu berücksichtigen sein, wonach allein die erfolglose Arbeitsplatzsuche die Unterhaltspflicht nicht ad infinitum andauern lässt, sondern für die bisher Unterhaltsberechtigte die Verpflichtung bestehen kann, eine den Lebensunterhalt sichernde Hilfsarbeitertätigkeit anzunehmen.