OGH: Neubemessung des Unterhalts (iZm durch Vergleich festgesetzte Unterhaltsansprüche)
Der in der Jud für eine relevante Einkommenserhöhung zur Umstandsklausel angeführte Prozentsatz von 10 % stellt keine starre Grenze, sondern nur einen Richtwert dar; auch bei einer Änderung mehrerer Parameter für die Bemessung des Unterhalts kann die (ergänzende) Vertragsauslegung zum Ergebnis führen, dass die in einem Unterhaltsvergleich festgelegte Relation zwischen Einkommen und Unterhaltshöhe nicht zu vernachlässigen ist; in diesem Fall müssen sich dem Vergleich oder der Aktenlage genügende Anhaltspunkte für eine zukünftige Regelung des Unterhalts entnehmen lassen
§ 140 ABGB, § 94 ABGB
GZ 8 Ob 75/10b, 18.08.2010
OGH: Durch gerichtliche Entscheidung oder Vergleich festgesetzte Unterhaltsansprüche unterliegen der Umstandsklausel. Der Anspruch kann daher nur im Fall einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse neu bemessen werden.
Eine Neubemessung des Unterhalts zufolge Erhöhung des Einkommens des Unterhaltsschuldners setzt in diesem Zusammenhang voraus, dass die Erhöhung eine relevante Größenordnung erreicht. Nach stRsp des OGH ist die Erhöhung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen um mehr als 10 % jedenfalls als wesentliche Umstandsänderung anzusehen. Gleichermaßen ist in der Judikatur anerkannt, dass eine Einkommensminderung von 8 bis 10 % für die Annahme einer wesentlichen Änderung genügt. Dem Rekursgericht ist darin beizupflichten, dass der in der Judikatur für eine relevante Einkommenserhöhung angeführte Prozentsatz von 10 % keine starre Grenze, sondern nur einen Richtwert darstellt. Aus diesem Grund und mit Rücksicht auf den Umstand, dass ein monatliches Durchschnittseinkommen des Vaters zu errechnen war, ist die von den Vorinstanzen ermittelte Einkommenserhöhung im vorliegenden Fall für die Annahme geänderter Verhältnisse ausreichend.
Wurde der Unterhalt in einem Vergleich festgesetzt, so soll nach nunmehr stRsp die Neubemessung nicht völlig losgelöst von der vergleichsweisen Regelung und der in ihr zum Ausdruck kommenden Konkretisierung der Bemessungsgrundsätze erfolgen, solange dadurch das gesetzliche Gesamtausmaß des Kindesunterhalts nicht geschmälert wird; nach der E 2 Ob 253/08g ist in dieser Hinsicht entscheidend, dass keine Gefährdung des Gesamtunterhalts des Unterhaltsberechtigten zu besorgen ist. Haben sich nur die Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen geändert, so ist in der Regel davon auszugehen, dass die seinerzeitige Relation zwischen Einkommenshöhe und Unterhaltshöhe gewahrt bleiben soll. Eine abweichende Auffassung wird in der Rsp zumeist dann vertreten, wenn sich nicht nur die Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen, sondern auch weitere für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Umstände, wie etwa die Anzahl der Sorgepflichten oder die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten erheblich geändert haben. Ändern sich mehrere Bemessungsparameter, so wird im Allgemeinen mit einer von den Vergleichsrelationen losgelösten Neubemessung des Unterhalts vorgegangen. Aber auch in solchen Fällen wurde im Weg der Vertragsauslegung schon das Ergebnis erzielt, dass die im Vergleich festgelegte Relation zwischen Einkommen und Unterhaltshöhe nicht vernachlässigt werden darf.
Auch bei einer Änderung mehrerer Bemessungsparameter kann die (ergänzende) Vertragsauslegung somit zum Ergebnis führen, dass die im Unterhaltsvergleich festgelegte Relation zwischen Einkommen und Unterhaltshöhe nicht zu vernachlässigen ist. In diesem Fall kommt es darauf an, was redliche und vernünftige Parteien für den von ihnen nicht bedachten Fall der geänderten Verhältnisse vereinbart hätten. Für die Beurteilung der Frage, ob die Relation zwischen Einkommen und Unterhaltshöhe trotz der eingetretenen Änderung beibehalten werden oder ob die Neubemessung völlig losgelöst von der vergleichsweisen Regelung erfolgen soll, ist entscheidend, was die Parteien im Einzelfall mit ihrem Unterhaltsvergleich für die Zukunft regeln wollten. Zu klären ist somit, ob der Vergleich oder die Begleitumstände, die zu seinem Abschluss geführt haben, auf ein längerfristiges Konzept der Eltern schließen lassen. Dem Vergleich oder der Aktenlage müssen sich genügende Anhaltspunkte für eine zukünftige Regelung des Unterhalts entnehmen lassen.
Mangels ausreichender Grundlagen für eine ergänzende Vertragsauslegung und mit Rücksicht auf den Umstand, dass sich neben dem Einkommen des Vaters auch der Bedarf der Kinder - bei B***** mit einer Änderung des Prozentsatzes und bei M***** mit einem Wechsel der Altersgruppe - erhöht hat, ist dem Rekursgericht mit der Bejahung der Voraussetzungen für eine Neubemessung der Unterhaltsbeiträge der Kinder ohne Bedachtnahme auf die Relation laut Scheidungsvergleich keine Fehlbeurteilung unterlaufen.