OGH: Bereichungsanspruch iZm Verletzung des Rückstellungsanspruchs des Wohnungseigentümers nach einem infolge Todes erloschenen Fruchtgenussrecht
Sofern keine besonderen Vereinbarungen über die Rückstellung der dienstbaren Sache im Fall des Erlöschens des Fruchtgenussrechts getroffen wurden, ist der Vertrag ergänzend unter Berücksichtigung des von den Parteien verfolgten Vertragszwecks und unter Heranziehung der Verkehrssitte dahin auszulegen, dass die Rückstellung nicht sofort nach Erlöschen des Fruchtgenussrechts, also bereits am Todestag, erfolgen muss, sondern der Verlassenschaft bzw den Erben eine angemessene Räumungsfrist zuzubilligen ist
§ 1041 ABGB, § 509 ABGB
GZ 6 Ob 83/10i, 24.06.2010
OGH: Das Fruchtgenussrecht erlischt mit dem Tod des Fruchtnießers. Nach Erlöschen des Fruchtgenusses hat der Eigentümer den dinglichen und obligatorischen Anspruch auf Rückstellung der dienstbaren Sache. Zur Rückstellung eines unbeweglichen Bestandobjekts gehört in der Regel die Übergabe der Schlüssel und die Entfernung der Fahrnisse. Gleiches gilt sinngemäß für andere Ansprüche auf Rückstellung von Räumlichkeiten.
Die Verpflichtung zur Bezahlung eines Benützungsentgelts in der Höhe des bisherigen oder eines sonst angemessenen Bestandzinses für die Zeit der vertragswidrigen Weiterbenützung ergibt sich aus § 1041 ABGB. Auf die tatsächlichen Benützungsverhältnisse kommt es dabei nicht an; ebenso ist nicht entscheidend, ob der Bestandgeber das Bestandobjekt nach der Räumung sofort wieder hätte vermieten können oder nicht. Diese Grundsätze ergeben sich bereits aus der allgemeinen Vorschrift des § 1041 ABGB und sind grundsätzlich nicht auf Bestandverhältnisse beschränkt. Allerdings hat der OGH bereits ausgesprochen, dass sich hinsichtlich des Inhalts der Rückstellungsverpflichtung aus einer getroffenen Vereinbarung oder den Grundsätzen des redlichen Verkehrs etwas anderes ergeben kann.
Im vorliegenden Fall ist insbesondere zu berücksichtigen, dass bei einem Fruchtgenussrecht im Gegensatz zu den Bestandverhältnissen, wo regelmäßig Kündigungsfristen bzw -termine vorgesehen sind, der Zeitpunkt des Eintritts der Rückstellungsverpflichtung nicht vorhersehbar ist. Sofern - wie im vorliegenden Fall - keine besonderen Vereinbarungen über die Rückstellung der dienstbaren Sache im Fall des Erlöschens des Fruchtgenussrechts getroffen wurden, ist der Vertrag ergänzend unter Berücksichtigung des von den Parteien verfolgten Vertragszwecks und unter Heranziehung der Verkehrssitte dahin auszulegen, dass die Rückstellung nicht sofort nach Erlöschen des Fruchtgenussrechts, also bereits am Todestag, erfolgen muss, sondern der Verlassenschaft bzw den Erben eine angemessene Räumungsfrist zuzubilligen ist, wofür nicht zuletzt auch Pietätsrücksichten sprechen. Im vorliegenden Fall bestanden zusätzlich Schwierigkeiten, einzelne Fahrnisgegenstände einer der beiden Verlassenschaften zuzuordnen; auch war nicht klar, wer vertretungsbefugter Erbe ist. Jedenfalls in einer derartigen Sonderkonstellation muss der Verlassenschaft zugebilligt werden, mit der Rückstellung der Wohnung bis zur Errichtung des Inventars zuzuwarten.
Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls ist die Rückstellung der Wohnung erst etwa fünf Monate nach dem Ableben der Fruchtgenussberechtigten nicht zu beanstanden und löst daher keine Bereicherungsansprüche aus. Derartige Nachwirkungen des (dinglichen) Fruchtgenussrechts hat der Eigentümer der dienenden Liegenschaft vielmehr hinzunehmen.