OGH: Eingriffsnormen iSd Art 7 Abs 1 EVÜ
Wenngleich die Reichweite des Art 7 Abs 1 EVÜ umstritten ist, so sind sich LuRsp doch dahin einig, es sei Voraussetzung für die Anwendung einer Eingriffsnorm eines Drittstaats, dessen Recht nicht das Vertragsstatut ist, dass eine enge Verbindung zwischen dem Staat der Eingriffsnorm und dem des anzuwendenden Rechts gegeben ist; die generelle Erstreckung des Begriffs der Eingriffsnorm auch auf zwingende drittstaatliche Bestimmungen, die primär die Individualinteressen ausgleichen sollen, ist hingegen abzulehnen
Art 7 Abs 1 EVÜ
GZ 9 Ob 76/09f, 30.06.2010
OGH: Gem Art 7 Abs 1 EVÜ kann bei einer Anwendung des Rechts eines bestimmten Staats aufgrund dieses Übereinkommens den zwingenden Bestimmungen des Rechts eines anderen Staats, mit dem der Sachverhalt eine enge Verbindung aufweist, Wirkung verliehen werden, soweit diese Bestimmungen nach dem Recht des letztgenannten Staats ohne Rücksicht darauf anzuwenden sind, welchem Recht der Vertrag unterliegt. Bei der Entscheidung, ob diesen zwingenden Bestimmungen Wirkung zu verleihen ist, sind ihre Natur und der Gegenstand sowie die Folgen zu berücksichtigen, die sich aus ihrer Anwendung oder ihrer Nichtanwendung ergeben würden.
Die Klägerin vermag keine Norm aufzuzeigen, die den Export aus Hongkong bzw den Import nach Österreich unerlaubt machen würde. Sie beruft sich lediglich auf ein Ausfuhrverbot der Volksrepublik China selbst, welches den Sonderstatus von Hongkong nicht berührt. Der Klägerin ist grundsätzlich dahin beizupflichten, dass auch dem Kulturgüterschutz dienende Ein- oder Ausfuhrverbote grundsätzlich Eingriffsnormen iSd Art 7 Abs 1 EVÜ darstellen können. Wenngleich die Reichweite des Art 7 Abs 1 EVÜ umstritten ist, so sind sich LuRsp doch dahin einig, es sei Voraussetzung für die Anwendung einer Eingriffsnorm eines Drittstaats, dessen Recht nicht das Vertragsstatut ist, dass eine enge Verbindung zwischen dem Staat der Eingriffsnorm und dem des anzuwendenden Rechts gegeben ist. Die generelle Erstreckung des Begriffs der Eingriffsnorm auch auf zwingende drittstaatliche Bestimmungen, die primär die Individualinteressen ausgleichen sollen, ist hingegen abzulehnen.
Im vorliegenden Fall wurde weder behauptet, noch ist hervorgekommen, dass die Beklagte die Plastik erst unter Umgehung chinesischer Ausfuhrvorschrift beschaffen musste oder aber jemand von ihr angestiftet worden wäre, diese Ausfuhr zu bewerkstelligen. Festgestellt wurde vielmehr nur, dass die Beklagte bzw deren Rechtsvorgängerin die Plastik aus Hongkong nach Österreich eingeführt hat. Wie und wann die Plastik dorthin gelangt ist, steht nicht fest und wurde auch durch ein Vorbringen der Klägerin nicht annähernd konkretisiert.
Damit kann aber auch nicht gesagt werden, dass vom Vertragswillen der Streitteile eine erst vorzunehmende illegale Ausfuhr eines Kulturguts Vertragsbestandteil geworden ist. Die oben genannte "enge Verbindung" zwischen der chinesischen Eingriffsnorm und Österreich ist daher nicht gegeben. Schon aus diesem Grund scheidet die Anwendung des Art 7 Abs 1 EVÜ auf den vorliegenden Sachverhalt aus.