OGH: laesio enormis iVm Vorvertrag - zur Frage auf welchen Zeitpunkt bei der Beurteilung des Missverhältnisses der Werte abzustellen ist und zur Frage der Teilrettung eines zur Gänze wegen laesio enormis angefochtenen Vertrags durch Ausübung der Ersetzungsbefugnis
Für den Vorvertrag hat es beim allgemeinen, im Gesetz festgelegten Grundsatz zu bleiben, dass für die Beurteilung des Missverhältnisses nach § 934 ABGB auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Vorvertrags, abzustellen ist; es macht keinen wesentlichen Unterschied, ob eine von zwei einander gegenüberstehenden Teilleistungen iSd § 878 ABGB unmöglich ist oder eine massive Äquivalenzstörung iSd § 934 ABGB vorliegt; auch bei Äquivalenzstörungen iSd § 934 ABGB können daher für die Beurteilung des Umfangs der Anfechtbarkeit, aber auch der Ersetzungsbefugnis zur Rettung des Vertrags, die Abgrenzungsregeln des § 878 ABGB herangezogen werden
§ 934 ABGB, § 936 ABGB, § 878 ABGB
GZ 8 Ob 148/09m, 19.05.2010
OGH: Gegenstand des Vorvertrags ist die Verpflichtung zum Abschluss eines künftigen Hauptvertrags. Dabei muss der Vorvertrag schon so bestimmt sein, dass er jederzeit als Hauptvertrag verbindlich wäre, dh, er muss alle wesentlichen Vertragsbestimmungen des Hauptvertrags schon enthalten. Von einer sog "Option" unterscheidet sich der Vorvertrag dadurch, dass der Berechtigte durch einseitige Erklärung ohne neuerlichen Vertragsabschluss das Schuldverhältnis bewirken kann.
§ 934 ordnet ausdrücklich an, dass das Missverhältnis des Werts nach dem Zeitpunkt des geschlossenen Geschäfts zu bestimmen ist. Zur Option wurde wiederholt die Ansicht vertreten, dass für die Beurteilung des Missverhältnisses jedoch der objektive Wert der gegenseitigen Leistungen zum Zeitpunkt der Ausübung des Optionsrechts heranzuziehen ist, weil erst dann das Rechtsgeschäft seine volle Wirksamkeit erlange und die gegenseitigen Leistungspflichten ausgelöst werden. Andererseits wurde zur Option aber auch am Wortlaut des § 934 ABGB festgehalten und auch bei der Beurteilung des Optionsvertrags auf den Zeitpunkt der Einräumung der Option für die Beurteilung des Missverhältnisses abgestellt.
Der Standpunkt, die Option im dargestellten Zusammenhang anders zu behandeln, lässt sich dadurch erklären, dass ja dabei einer Partei ein einseitiges Gestaltungsrecht, möglicherweise über einen längeren Zeitraum eingeräumt wird. Diese Überlegung trifft aber auf den Vorvertrag nicht zu, bei dem beide Parteien zum Abschluss des Hauptvertrags verpflichtet sind.
Jedenfalls für den Vorvertrag hat es daher beim allgemeinen, im Gesetz festgelegten Grundsatz zu bleiben, dass für die Beurteilung des Missverhältnisses nach § 934 ABGB auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Vorvertrags, abzustellen ist.
Dass der Wert der Grundstücke jeweils deutlich mehr als doppelt so hoch ist, wie die vereinbarte Gegenleistung, wird vom Kläger gar nicht mehr bestritten. Vielmehr geht es nur noch um die Frage, ob es dem Kläger offen steht, dem Einwand der Verkürzung über die Hälfte auch bloß hinsichtlich eines der beiden Grundstücke durch die Bereitschaft, den "Abgang bis zum gemeinen Wert" zu ersetzen, zu begegnen. Damit stellt sich die Frage der Teilbarkeit der vertraglichen Leistungen und die Frage, inwieweit bei der Beurteilung der Äquivalenzstörung iSd § 934 ABGB auch auf einander gegenüberstehende Teilleistungen abgestellt werden kann.
Beachtet man den Grundgedanken des § 934 ABGB, einer massiven Äquivalenzstörung entgegen zu wirken, so macht es unter diesem Aspekt keinen Unterschied, ob nun einander gegenüber stehende Teilleistungen in einem groben Missverhältnis stehen oder ob Teilleistungen etwa unmöglich sind. Es ist daher angemessen, die Grundregel des § 878 Satz 2 ABGB heranzuziehen, wonach der Vertrag bei teilweiser Unmöglichkeit gültig bleibt, so weit aus dem Parteiwillen nichts anderes hervorgeht.