16.09.2010 Zivilrecht

OGH: Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung von Aktienaufträgen bei Nichtigkeit aufgrund Geschäftsunfähigkeit

Der später eingetretene Kursverlust der Wertpapiere kann nicht zugunsten der Kommissionärin berücksichtigt werden; da die für den Geschäftsunfähigen vorteilhaften Geschäfte ebenfalls nichtig sind, steht der Kommissionärin diesbezüglich ein Rückabwicklungsanspruch zu, den sie im Wege der Aufrechnung als Gegenforderung grundsätzlich geltend machen kann


Schlagworte: Bereicherungsrecht, Leistungskondiktion, Geschäftsunfähigkeit, Aktienaufträge, Gewinne, Verluste, Kommissionär, zum Nutzen des Geschäftsunfähigen
Gesetze:

§ 877 ABGB, § 1424 ABGB, § 280 Abs 2 ABGB, §§ 383 ff UGB, §§ 1002 ff ABGB

GZ 7 Ob 50/10v, 14.07.2010

Der Kläger erteilte der Beklagten verschiedene Aufträge zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren, wobei die Beklagte dabei jeweils als Kommissionärin tätig wurde. Sie kaufte und verkaufte die Wertpapiere jeweils im eigenen Namen, jedoch auf Rechnung des Klägers. Sie gab die gekauften Wertpapiere und den Verkaufserlös aus den Verkäufen an den Kläger heraus. Die Gewinne und Verluste traten zunächst bei der Beklagten und erst in der Folge beim Kläger ein.

OGH: Bei Nichtigkeit des vom Kläger mit der Beklagten geschlossenen Kommissionsvertrags bleibt das von der beklagten Bank vorgenommene Deckungsgeschäft aufrecht. Dies führt dazu, dass die Beklagte Eigentümerin der von ihr in Erfüllung des vermeintlich wirksamen Auftrags des Klägers angekauften Wertpapiere geworden ist. Für den Fall der Nichtigkeit des Vertrags mit dem Kläger ist sie Eigentümerin der Wertpapiere geblieben, sodass sie insofern einen Vorteil erlangt hat, der im Zeitpunkt der Ausführung des Geschäfts dem damaligen Wert der Wertpapiere entsprochen hat. Der in der Folge eingetretene Wertverlust der gekauften Papiere ist im Vermögen der beklagten Bank eingetreten. Dies beeinflusst die Höhe des Bereicherungsanspruchs des Klägers nicht.

Grundlage für die Rückforderungsansprüche ist § 877 ABGB. Inhalt und Umfang des Anspruchs nach § 877 ABGB richten sich nach allgemeinen bereicherungsrechtlichen Grundsätzen. Die Wirkung der Nichtigkeit zweiseitig verbindlicher Geschäfte ist lediglich die Verpflichtung jedes Vertragsteils zur Rückstellung dessen, was er aus dem Vertrag zu seinem Vorteil erhalten hat. Falls eine Naturalrückstellung unter den gegebenen Umständen nicht in Betracht kommt, ist die Bereicherung herauszugeben.

Bei Bejahung der Geschäftsunfähigkeit des Klägers besteht damit der Klagsanspruch dem Grunde nach zu Recht. Der später eingetretene Kursverlust der Wertpapiere kann nicht zugunsten der Beklagten berücksichtigt werden.

Da die für den Kläger vorteilhaften Geschäfte im Fall seiner Geschäftsunfähigkeit ebenfalls nichtig sind, steht der Beklagten diesbezüglich ebenfalls ein Rückabwicklungsanspruch zu, den sie im Wege der Aufrechnung als Gegenforderung grundsätzlich geltend machen kann. Wird die Bereicherung eines Geschäftsunfähigen aufgrund eines mit ihm abgeschlossenen, aber ungültigen Geschäfts geltend gemacht, hat der Gläubiger den Eintritt der Bereicherung, der Geschäftsunfähige aber in analoger Anwendung des § 1424 ABGB zu beweisen, dass diese weggefallen ist, weil das Gut nicht mehr in seinen Händen ist oder nicht zu seinem Vorteil verwendet wurde. Dabei hat sich der Geschäftsunfähige als Nutzen das anrechnen zu lassen, was seine Vermögenssituation nachhaltig verbesserte, indem er Anschaffungen von bleibendem Wert tätigte, richtige und fällige Schulden tilgte oder sich einen Aufwand ersparte, der ihm unter seinen Lebensumständen auch sonst erwachsen wäre. Alle Ausgaben, die sich den geringfügigen Angelegenheiten des täglichen Lebens iSd § 280 Abs 2 ABGB unterstellen lassen, sind demnach zum Nutzen des Geschäftsunfähigen verwendet, darüber hinaus aber auch solche, die er nicht zurückfordern könnte, hätte ihm das Gericht bereits einen Sachwalter bestellt und ihm unter Berücksichtigung seiner Situation Teile seines Einkommens oder Vermögens zur freien Verfügung überlassen. Im Zweifel kann Maß an einer vernünftigen Lebensgebarung genommen werden, wie also ein voll Geschäftsfähiger in einer vergleichbaren Situation disponiert hätte. Die Schwierigkeit, die Erfüllung negativer Tatbestandsvoraussetzungen nachzuweisen, verbietet es, vom Geschäftsunfähigen den strikten Nachweis zu fordern, was vom Empfangenen nicht zu seinem Nutzen verwendet wurde. Es genügt die Widerlegung jener Umstände, die für die Erzielung eines Nutzens iSd § 1424 ABGB sprechen. Es könnte etwa der Beweispflicht dadurch genügt werden, dass ein großer Geldbetrag innerhalb eines kurzen Zeitraums ausgegeben wurde, ohne dass sich dies in Vermögenswerten oder einer erkennbaren Verbesserung der Lebensumstände des Betroffenen niedergeschlagen hat. Es kommt auch die Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO, also die Festsetzung nach richterlichem Ermessen, in Betracht.