29.07.2010 Zivilrecht

OGH: UVG und Ablösung der Wanderarbeitnehmerverordnung - geänderte Rechtslage

Die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen unterliegt seit der Anwendbarkeit der VO 883/2004 (mit 1. 5. 2010) dem nationalen Recht, das allerdings unionsrechtskonform (und damit auch primärrechtskonform) auszulegen ist


Schlagworte: Familienrecht, Unterhaltsvorschuss, Unionsbezug
Gesetze:

§ 2 UVG, VO (EG) 883/2004

GZ 10 Ob 14/10x, 01.06.2010

OGH: Mit 1. 5. 2010 wurde die VO (EWG) 1408/71 (Wanderarbeitnehmerverordnung) von der neuen Koordinierungsverordnung, der VO (EG) 883/2004 abgelöst. Durch den Eintrag in den Anhang I sind österreichische Unterhaltsvorschüsse, die in der Rsp des EuGH als Familienleistungen qualifiziert wurden, vom Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 ausgenommen. Die Frage, ob bei Sachverhalten mit Unionsbezug österreichische Unterhaltsvorschüsse gebühren, ist seit 1. 5. 2010 (wieder) auf Grundlage des § 2 UVG zu lösen. Anspruch auf Vorschüsse haben demnach "minderjährige Kinder, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und entweder österreichische Staatsbürger oder staatenlos sind".

Auch wenn diese Kriterien (gewöhnlicher Aufenthalt im Inland und österreichische Staatsangehörigkeit bzw Staatenlosigkeit) nicht mehr auf ihre Vereinbarkeit mit dem Koordinierungsrecht der VO (EG) 883/2004 zu überprüfen sind, ist weiterhin der Maßstab des Unionsrechts in Gestalt des europäischen Primär- und Sekundärrechts zu beachten. Zwar kommt aufgrund der für Unterhaltsvorschüsse normierten Ausnahme das Gleichbehandlungsgebot des Art 4 der VO (EG) 883/2004 nicht zur Anwendung; dennoch gilt der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 18 AEUV. In diesem Sinn hat der OGH bereits unter dem Regime der VO (EWG) 1408/71 bei im Übrigen reinen Inlandsfällen (in denen die Koordinierungsregeln der VO 1408/71 nicht anzuwenden waren) einen Vorschussanspruch von Kindern mit der Staatsbürgerschaft eines anderen EU-Mitgliedstaats bejaht. An dieser Rechtsprechungslinie ist auch ab 1. 5. 2010 festzuhalten. Demnach wäre das Abstellen auf das Staatsbürgerschaftskriterium in § 2 UVG als unionsrechtswidrig einzustufen, weshalb die Bezugnahme auf die österreichische Staatsbürgerschaft so zu lesen ist, dass damit die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaats gemeint ist.