OGH: Prüfung der Baukostenabrechnung - zur Frage, ob die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 22 Abs 2 Z 4 WGG bloß fakultativ oder obligatorisch ist
Eine ausnahmslos zwingende Anordnung des Sachverständigenbeweises stünde zu tragenden Grundsätzen des Außerstreitverfahrens im Widerspruch
§ 22 Abs 2 WGG
GZ 5 Ob 145/09y, 20.04.2010
OGH: Trotz der ausnahmsweise durch das Gesetz angeordneten gesonderten Anfechtbarkeit eines Beweisbeschlusses nach § 22 Abs 2 Z 3 WGG handelt es sich dabei um keinen Sachbeschluss und keine "Entscheidung über die Sache" iSd § 68 Abs 1 AußStrG, sondern einen verfahrensrechtlichen Beschluss mit einseitigem Rechtsmittelverfahren. Die wechselseitigen Revisionsrekursbeantwortungen sind daher als unzulässig zurückzuweisen.
Den Argumenten des Antragstellers gegen die Auffassung, zur Prüfung der Baukostenabrechnung sei nach § 22 Abs 2 Z 4 WGG jedenfalls zwingend ein Sachverständiger zu bestellen, kommt prinzipiell Berechtigung zu.
Diese der Rekursentscheidung zu Grunde gelegte Interpretation wurde in der Literatur - soweit überblickbar - bisher nicht vertreten. Das Rekursgericht leitet sie allein aus dem Wortlaut des Gesetzes ab, berücksichtigt aber nicht, dass die normative Anordnung "ist” in § 22 Abs 2 Z 4 WGG sich auf die Auferlegung und Quote eines Kostenvorschusses bezieht, der zur Durchführung "eines” (nicht etwa: "des”) Sachverständigenbeweises erforderlich ist. Mit dieser Anordnung wird offenkundig der Grundregel des § 365 ZPO (iVm § 35 AußStrG), wonach ein Kostenvorschuss dem Beweisführer aufzutragen ist, für die besonderen Erfordernisse des Verfahrens nach § 22 Abs 2 WGG derogiert.
Eine Absicht des Gesetzgebers, das Verfahren zwingend mit üblicherweise zeitaufwändigen und kostspieligen Beweisaufnahmen durch Sachverständige zu befrachten, selbst wenn sie nach Art bzw Umfang der strittigen Tatsachen objektiv nicht erforderlich sein sollten, kann auch aus den Materialien zu § 22 WGG nicht abgeleitet werden. Eine solche Anordnung würde im Gegenteil dem darin betonten Leitgedanken der Verfahrensökonomie zuwiderlaufen. Die Bestimmungen des § 2 Abs 2 Z 3 und 4 WGG, insbesondere die gesonderte Anfechtbarkeit des obligatorischen Beweisbeschlusses, sollen nur der für das weitere Verfahren bindenden Abgrenzung und Gliederung des Prozessstoffs dienen, also eine Straffung und keine Ausweitung des Verfahrens bewirken.
Eine ausnahmslos zwingende Anordnung des Sachverständigenbeweises stünde zu tragenden Grundsätzen des Außerstreitverfahrens im Widerspruch. Das Gericht darf sich nach § 33 Abs 1 und 2 AußStrG im Beweisverfahren jedes ihm geeignet erscheinenden Beweismittels, insbesondere auch der Zuziehung eines Sachverständigen, bedienen und selbst dann Beweise aufnehmen und Erkundigungen einholen, wenn sich alle Parteien dagegen aussprechen. Es ist nach § 31 Abs 3 AußStrG zwar berechtigt, vorhandene Fachkenntnisse anstelle der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu verwerten, dazu aber keineswegs verpflichtet.
Andererseits kann es in einem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verfahren auch keine Bindung des Gerichts an den Verzicht einer Partei (hier des Antragstellers) auf den Sachverständigenbeweis geben.
Die allein maßgebliche Beurteilung, ob im konkreten Fall zum Beweis für die strittigen Tatsachen ein Sachverständigengutachten erforderlich ist oder ob die gewöhnlich vorauszusetzende Fachkunde des Richters ausreicht, obliegt aber den Tatsacheninstanzen und gehört zum Bereich der vom OGH nicht zu überprüfenden Beweiswürdigung.
Zur Frage, in welchem Umfang der Beweisbeschluss nach § 22 Abs 2 Z 3 WGG angefochten werden kann, ist zu berücksichtigen, dass er (nur) "die Tatsachen" zu bezeichnen hat, über die Beweis aufzunehmen sein wird. Die Überprüfung durch die Rechtsmittelgerichte kann sich daher schon nach dem Gesetzeswortlaut nur auf die Vollständigkeit der zu erhebenden Tatsachen und deren rechtliche Relevanz, aber nicht auf die dazu in Aussicht genommenen Beweismittel beziehen.
Ungeachtet seiner Anfechtbarkeit bindet der Beweisbeschluss nach § 22 Abs 2 Z 3 WGG das Gericht nämlich im weiteren Verfahren auch nicht an die bereits beschlossenen Beweismittel. Behauptete Mängel iZm der Beweiswürdigung können erst im Rechtsmittelverfahren über die Sachentscheidung geltend gemacht werden.
Die Zurückweisung des Rekurses des Antragstellers gegen die Punkte "A" und "C" des erstgerichtlichen Beweisbeschlusses entspricht dem Gesetzeswortlaut. Die besonderen Verfahrensregeln nach § 22 Abs 2 WGG betreffen explizit nur die Entscheidung über alle iZm den Baukosten stehenden Fragen, aber nicht die gesamten Herstellungskosten. Einen Anhaltspunkt für eine allfällige planwidrige Lücke dieser Bestimmung vermag der Revisionsrekurs nicht aufzuzeigen, zumal sogar innerhalb der Bestimmung des § 22 Abs 2 WGG zwischen Herstellungskosten einerseits und Baukosten (für die besondere Verfahrensbestimmungen gelten) andererseits unterschieden wird.