OGH: Haftung nach § 1310 ABGB - Rechtswidrigkeit
Nach stRsp hat derjenige, der - wenn auch erlaubterweise - eine Gefahrenquelle schafft, die entsprechende Sorgfalt anzuwenden, dass daraus kein Schaden entsteht, andernfalls er ein rechtswidriges Verhalten setzt
§ 1310 ABGB
GZ 2 Ob 83/09h, 18.12.2009
Der fünfjährige Beklagte spielte mit seinem Freund "Ritter", wobei er einen Stecken an einen Baum schlug. Während des Spiels näherte sich der gleichaltrige Kläger, der mitspielen wollte. Der Stecken des Beklagten brach ab und ein Holzstück folg ins Auge des Klägers. Der Beklagte verfügt über eine Haftpflichtversicherung, weshalb er nach § 1310 dritter Fall ABGB haften soll. Fraglich ist jedoch die Rechtswidrigkeit des Handelns des Beklagten.
OGH: Die Haftung nach § 1310 ABGB setzt voraus, dass ein voll Deliktsfähiger im gleichen Fall haften würde. Unter diesem Aspekt wurde in einigen Fällen die Haftung des Unmündigen mit der Begründung verneint, dass sein Verhalten nicht rechtswidrig sei; in anderen Fällen wurde die Rechtswidrigkeit teils implizit, teils ausdrücklich bejaht.
In einem vergleichbaren Fall hat der OGH die Ansicht vertreten, dass ein unbeschränkt Deliktsfähiger die Gefährlichkeit (und die sich daraus ergebende Verletzungsgefahr) des Schlagens mit einem Holzstock auf einen Baum insbesondere in Anbetracht der in unmittelbarer Nähe stehenden Kindergruppe hätte vorhersehen können. Es liege innerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung, dass bei kraftvoller Einwirkung auf ein Holzstück dieses splittere und Splitter in der Nähe stehende Personen am Körper, somit auch im Augenbereich, treffen könnten. Nach stRsp habe derjenige, der - wenn auch erlaubterweise - eine Gefahrenquelle schaffe, die entsprechende Sorgfalt anzuwenden, dass daraus kein Schaden entstehe. Entscheidend sei, wohin die Gefahrenquelle wirke. Dem die Gefahrenquelle Schaffenden müsse es möglich sein, die Verletzung von Rechtsgütern Dritter zu erkennen und der Gefahr durch zumutbare Maßnahmen vorzubeugen. Obwohl im Schlagen mit einem Holzstock auf einen kleinen Baum an sich ein rechtswidriges Verhalten nicht erblickt werden könne, der Beklagte aber dadurch eine Gefahrenquelle eröffnet habe, hätte er dafür Sorge treffen müssen, dass hieraus Dritten kein Schaden entstehe. Eine hiefür zumutbare Maßnahme wäre das generelle Unterlassen eines solchen Verhaltens in Gegenwart anderer im Splitterbereich befindlicher Personen gewesen. Da der Beklagte darüber hinaus den ihm obliegenden Beweis, die nötige Sorgfalt nicht vernachlässigt zu haben, nicht erbracht habe, sei auch die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Beklagten zu bejahen. Die dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Erwägungen treffen auf den vorliegenden Fall uneingeschränkt zu. Da die Rechtswidrigkeit schon im Sinne eines Verhaltensunrechts zu bejahen ist, erübrigt es sich, auf die Frage, ob nicht auch Erfolgsunrecht genüge, weiter einzugehen.