11.02.2010 Zivilrecht

OGH: Zur Frage der Anrechnung von Transferleistungen (Familienbeihilfe) bei österreichischer Steuerpflicht aufgrund des Wohnsitzes des Unterhaltsschuldners in Österreich bei gleichzeitiger Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens, welches die Befreiungsmethode mit Progressionsvorbehalt vorsieht

Keine Anrechnung der Familienbeihilfe zugunsten eines Unterhaltsschuldners, der zwar seinen Wohnsitz in Österreich hat, jedoch ausschließlich in der Slowakei arbeitet und aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens in Österreich nicht einkommensteuerpflichtig ist; der Umstand, dass der Unterhaltsschuldner in Österreich allenfalls indirekte Steuern (etwa Umsatzsteuer) zu zahlen hat, spielt keine Rolle, weil die vom VfGH geforderte steuerliche Entlastung dem Einkommen (und damit der Einkommensteuerbelastung) des Unterhaltspflichtigen gelten soll


Schlagworte: Familienrecht, Unterhalt, Doppelbesteuerungsabkommens, Transferleistungen, Familienbeihilfe
Gesetze:

§ 140 ABGB, § 12a FLAG

GZ 8 Ob 90/09g, 22.10.2009

Der unterhaltspflichtige Vater hat seinen Wohnsitz in Österreich und ist grundsätzlich in Österreich einkommensteuerpflichtig. Er übt seine Arbeitstätigkeit für den österreichischen Arbeitgeber jedoch ausschließlich in der Slowakei aus und bezieht kein Einkommen aus einer Beschäftigung in Österreich, weshalb auch kein Einkommensteuerbescheid für ihn ausgestellt werden kann. Die Verrechnung der Einkommensteuer findet ausschließlich in der Slowakei statt. Aufgrund des anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommens (zwischen der Republik Österreich und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik, das auch im Verhältnis zur Slowakischen Republik weiter gilt (BGBl 1979/34; Notenwechsel BGBl 1994/1046)) erfolgt im konkreten Fall keine Besteuerung der Einkünfte des Vaters in Österreich, dies ungeachtet seines österreichischen Wohnsitzes. Im Verfahren ist strittig, ob die Familienbeihilfe, die die Mutter für den Sohn bezieht, bei der Berechnung der Unterhaltsverpflichtung des Vaters zu berücksichtigen ist.

OGH: Der VfGH hob mit dem Erkenntnis vom 19. 6. 2002, G 7/02 ua, die Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" in § 12a FLAG auf. Seither wird in stRsp der nach der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und den Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten wie bisher zu bemessende Geldunterhalt im Interesse der gebotenen steuerlichen Entlastung von Unterhaltsschuldnern im Falle der getrennten Haushaltsführung in verfassungskonformer Auslegung des § 140 ABGB um jenen Teil des Kinderabsetzbetrags und der Familienbeihilfe gekürzt, der die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bezweckt. Der über Transferleistungen herzustellende Ausgleich ist jedoch nur notwendig, soweit er nicht über das Steuerrecht hergestellt werden kann.

Beginnend mit der Entscheidung 6 Ob 108/02d sprach der OGH aus, dass die im Rahmen der Unterhaltsbemessung gebotene steuerliche Entlastung dann nicht zu erfolgen hat, wenn der Unterhaltsschuldner nicht steuerpflichtig ist.

Der Vater hat seinen Wohnsitz in Österreich und wäre hier daher auch grundsätzlich persönlich steuerpflichtig. Der Grundsatz, dass unbeschränkt Steuerpflichtige mit ihrem gesamten Einkommen der Einkommensteuer unterliegen, erfährt jedoch insbesondere auch durch die Anwendbarkeit von Doppelbesteuerungsabkommen Einschränkungen, die die einzelnen Einkünfte einem der beiden Vertragsstaaten zur Besteuerung zuweisen und damit das Besteuerungsrecht des anderen Staats beschränken. Ein Doppelbesteuerungsabkommen soll lediglich verhindern, dass ein und dieselben Einkünfte in beiden Staaten zur Gänze besteuert bleiben. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten soll grundsätzlich eine Besteuerung erreicht werden, wie sie auch bei rein innerstaatlichen Sachverhalten vorgenommen wird. Demgegenüber soll ein Doppelbesteuerungsabkommen etwa nicht gewährleisten, dass die Steuern, die von dem Steuerpflichtigen in dem einen Staat erhoben werden, nicht höher sind als diejenigen, die von ihm in dem anderen Staat erhoben werden: Der Zweck ist daher die Verhinderung der Doppelbesteuerung, nicht aber die Gewährleistung gleich hoher Steuersätze.

Der Wegfall der Anrechnung der Familienbeihilfe als unterhaltsmindernd korrespondiert mit dem Umstand, dass die Einkommensteuerpflicht des Vaters in Österreich wegen des anzuwendenden DBA derart eingeschränkt ist, dass sie im Inland faktisch nicht besteht. Der Vater ist damit unterhaltsrechtlich nicht anders gestellt als jeder andere, aus rechtlichen Gründen in Österreich nicht steuerpflichtige Unterhaltsschuldner, sodass eine Entlastung nicht geboten ist.

Der Umstand, dass der Vater in Österreich allenfalls indirekte Steuern (etwa Umsatzsteuer) zu zahlen hat, spielt keine Rolle, weil die vom VfGH geforderte steuerliche Entlastung dem Einkommen (und damit der Einkommensteuerbelastung) des Unterhaltspflichtigen gelten soll. Der vom VfGH intendierte Ausgleich kann darüber hinaus nur gegenüber Leistungen des Unterhaltsschuldners selbst erfolgen, sodass auch dem Umstand, dass der Arbeitgeber des Unterhaltsschuldners in Österreich Körperschaftsteuer abführen mag, keine Bedeutung zukommt. (Sonstige) europarechtliche Bedenken dahingehend, dass dem Vater im konkreten Anlassfall aus seiner grenzüberschreitenden Beschäftigung insgesamt Nachteile erwachsen, wurden nicht aufgezeigt.