OGH: Zum außerordentlichen Kündigungsrecht des Teilnehmers nach § 25 Abs 3 TKG bei Änderung der Mobilfunk-AGB
Ein Verbraucher, der sich aufgrund der "drohenden", ihn benachteiligenden Änderung der AGB und Entgeltbedingungen zur Auflösung dieses Vertrags entschließt, kann nach den allgemeinen Regeln des dispositiven Rechts nach Zugang seiner Erklärung an den Mobilfunkbetreiber mit einer wirksamen Beendigung des Vertragsverhältnisses rechnen, sich schon vorher über Anbote anderer Mobilfunkbetreiber informieren und dann einen Vertrag abschließen
§ 25 TKG, § 6 KSchG, § 879 Abs 3 ABGB
GZ 1 Ob 123/09h, 08.09.2009
Die Beklagte bietet Mobilfunkleistungen an. Die AGB enthalten folgende Klauseln:
1. Nicht ausschließlich begünstigende Änderungen werden dem Teilnehmer schriftlich unter gleichzeitiger Vornahme einer Änderungskündigung durch m***** mindestens ein Monat vor Inkrafttreten der Änderung in geeigneter Form, etwa durch Rechnungsaufdruck, mitgeteilt. Sollte der Teilnehmer bis zum Inkrafttreten der Änderungen der m***** schriftlich mitteilen, dass er den Änderungen widerspricht, so endet der Vertrag nach einer Frist von einem Monat ab Zugang dieser Erklärung. Der Widerspruch wird wirkungslos, falls sich m***** innerhalb eines Monats ab Zugang des Widerspruchs bereit erklärt, gegenüber dem Teilnehmer die Änderungskündigung zurückzuziehen. Widerspricht der Teilnehmer nicht, so erlangen die Änderungen zum bekannt gegebenen Zeitpunkt Wirksamkeit.
2. Gemäß § 25 TKG 2003 zulässige Änderungen bleiben unberührt. Eine gemäß § 25 Abs 3 TKG ausgesprochene außerordentliche Kündigung durch den Teilnehmer wird wirkungslos, falls sich m***** innerhalb von vier Wochen ab Zugang der Kündigung bereit erklärt, gegenüber dem Teilnehmer auf die Kündigung zu verzichten.
OGH: Nach § 25 Abs 2 TKG sind Änderungen der AGB und Entgeltbestimmungen vor ihrer Wirksamkeit der Regulierungsbehörde anzuzeigen und in geeigneter Form kundzumachen. Für den Teilnehmer nicht ausschließlich begünstigende Änderungen gilt eine Kundmachungs- und Anzeigefrist von zwei Monaten. § 25 Abs 3 TKG verpflichtet Mobilfunkbetreiber, den wesentlichen Inhalt der nicht ausschließlich begünstigenden Änderungen dem Teilnehmer mind einen Monat vor In-Kraft-Treten der Änderung in geeigneter Form mitzuteilen sowie gleichzeitig den Teilnehmer auf den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Änderungen sowie auf sein Recht hinzuweisen, den Vertrag bis zu diesem Zeitpunkt kostenlos zu kündigen. Diese Bestimmungen berechtigen den Anbieter ex lege zu einer einseitigen Vertragsänderung, soweit es die Änderung von AGB und Entgeltbedingungen betrifft. Als Ausgleich dafür erhält der Teilnehmer in Übereinstimmung mit Art 20 Abs 4 der Universaldienstrichtlinie (RL 2002/22/EG) ein kostenloses außerordentliches Kündigungsrecht, das spätestens bis zum In-Kraft-Treten der Änderungen auszuüben ist.
Die Revisionswerberin sieht den Schutzzweck dieses Kündigungsrechts ausschließlich in der Abwehr einer einseitigen, beabsichtigten Vertragsänderung, nicht aber darin, dem Kunden aus anderen Motiven die Kündigung eines bestehenden Vertrags zu ermöglichen. Der einzige Schutzzweck falle weg, wenn es aufgrund der Zurückziehung der Änderungskündigung eben nicht zu einer Vertragsänderung komme.
§ 25 Abs 3 TKG ist aber eine konsumentenschutzrechtliche Norm, die das Kündigungsrecht des Teilnehmers von folgenden Bedingungen abhängig macht: Eine bekannt gegebene Änderung samt Hinweis auf den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens und das Kündigungsrecht sowie die Ausübung des Kündigungsrechts bis zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens. Nach den allgemeinen Regeln des dispositiven Rechts wird ein derartiges Vertragsverhältnis grundsätzlich durch eine einseitige Kündigungserklärung beendet. Der Beklagten ist einzuräumen, dass bei Aufrechtbleiben des Vertrags zu den alten AGB keine dem Teilnehmer nachteilige Änderung eintritt und seine Versorgung mit Mobilfunkleistungen garantiert ist. Ein Verbraucher, der sich aufgrund der "drohenden", ihn benachteiligenden Änderung der AGB und Entgeltbedingungen zur Auflösung dieses Vertrags entschließt, kann aber nach den allgemeinen Regeln des dispositiven Rechts nach Zugang seiner Erklärung an den Mobilfunkbetreiber mit einer wirksamen Beendigung des Vertragsverhältnisses rechnen, sich schon vorher über Anbote anderer Mobilfunkbetreiber informieren und dann einen Vertrag abschließen. In der Mobilfunkbranche sind ständig wechselnde Angebote aufgrund der Wettbewerbssituation nicht unüblich, weshalb die einmonatige bzw vierwöchige Phase der Unsicherheit, ob das Vertragsverhältnis weiter aufrecht bleiben soll, die Dispositionsfreiheit des Konsumenten stark einschränkt. Die den Teilnehmern seitens der Beklagten offensichtlich zugedachte Rolle von "Testsubjekten" (rentiert sich aufgrund der Anzahl der Widersprüche bzw Kündigungen die Änderung der AGB?) muss der Konsument nicht spielen. Ebensowenig soll er auf die Möglichkeit verwiesen werden, bei anderen Mobilfunkbetreibern Verträge ohne Bindung wie sog "prepaid-Verträge" abzuschließen und so das Risiko zu vermeiden, bei Aufrechterhalten des Vertrags durch die Beklagte und zwischenzeitig erfolgtem Abschluss eines anderen Vertrags an zwei Mobilfunkverträge gebunden zu sein.
Im Verbandsprozess hat die Auslegung von Klauseln im "kundenfeindlichsten" Sinn zu erfolgen. Auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Klausel kann nicht Rücksicht genommen werden, weil eine geltungserhaltende Reduktion im Verbandsprozess nicht möglich ist. Der erste Satz der Klausel 1 ist nicht als materiell eigenständiger Regelungsbereich zu sehen, der von den anschließenden Bestimmungen dieser Klausel isoliert wahrgenommen werden kann. Er bezieht sich auf die Vornahme einer "Änderungskündigung", deren Zurückziehung nach Satz 3 der Klausel den im zweiten Satz geregelten Widerspruch des Teilnehmers wirkungslos macht. Ist dieser anschließende Teil der Klausel nicht zulässig, wirkt sich das insgesamt auf die als Einheit anzusehende Klausel aus.