OGH: Zum Erwerb einer mit einer nicht verbücherten und nicht offenkundigen Dienstbarkeit belasteteten Liegenschaft
Eine nicht verbücherte, nicht offenkundige Dienstbarkeit erlischt durch den gutgläubigen Erwerb des belasteten Grundstücks und entsteht nicht allein durch die Untätigkeit des Erwerbers wieder
§§ 472 ff ABGB, § 1500 ABGB
GZ 1 Ob 116/09d, 06.07.2009
Die Kläger erwarben eine nach dem Grundbuchstand unbelastete Liegenschaft. Nach Einverleibung ihres Eigentumsrechts erlangten sie Kenntnis davon, dass im Keller des auf der Liegenschaft befindlichen Hauses eine Wasserversorgungsanlage installiert ist, die auch die Liegenschaft der Beklagten mit Wasser versorgt. Dieser Umstand war für die Kläger als technische Laien anlässlich der Besichtigung der Liegenschaft vor dem Kauf nicht erkennbar gewesen. Im Kaufvertrag war den Klägern die "lastenfreie Übergabe" des Kaufobjekts zugesagt worden.
OGH: Eine nicht verbücherte, nicht offenkundige Dienstbarkeit erlischt durch den gutgläubigen Erwerb des belasteten Grundstücks und entsteht nicht allein durch die Untätigkeit des Erwerbers wieder. Eine (allenfalls inhaltsgleiche) Dienstbarkeit kann nur neu begründet werden, sei es durch Ersitzung oder auch im Wege einer Vereinbarung, allenfalls auch durch konkludentes Verhalten (§ 863 ABGB).
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts vermag der erkennende Senat in den erstinstanzlichen Verfahrensbehauptungen der Beklagten eine Berufung auf eine im rechtsgeschäftlichen Weg unter Anwendung des § 863 ABGB neu begründete Dienstbarkeit nicht zu erblicken. Die Beklagten haben lediglich vorgebracht, die Kläger hätten fast zehn Jahre hindurch an der gegebenen Situation nichts auszusetzen gehabt und daher eine für sie erkennbare offensichtliche Belastung "mitübernommen". Damit wird aber keineswegs der (konkludente) Abschluss einer neuen Dienstbarkeitsvereinbarung einige Zeit nach Erwerb der Liegenschaft durch die Kläger geltend gemacht. Vielmehr vertreten die Beklagten erkennbar die Auffassung, die Kläger hätten schon beim Erwerb der Liegenschaft die - ihrer Ansicht nach leicht erkennbare - Belastung "mitübernommen", somit gerade keinen neuen Rechtsgrund geschaffen.
Da die Kläger also durch den auch noch im Zeitpunkt der Verbücherung bestehenden guten Glauben unbelastetes Eigentum erworben haben und auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass später zugunsten der Beklagten eine Dienstbarkeit begründet worden wäre, ist die klagestattgebende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO).