OGH: Zur Frage des Einflusses der Suspendierung eines Rechtsanwalts auf die Fälligkeit und Verjährung dessen Honoraranspruchs für davor erbrachte Leistungen sowie zur Frage, ob einem Rechtsanwalt trotz Suspendierung für weiterhin erbrachte Leistungen Entgelt zusteht
Solange der Anwalt noch in die Lage kommen kann, pflichtgemäß im Interesse seines Klienten in dieser Rechtssache tätig zu werden, ist das Mandatsverhältnis nicht erloschen und daher auch die Fälligkeit des Honoraranspruchs nicht eingetreten; die bloße Tatsache der Suspendierung eines Rechtsanwalts bringt die Vollmacht und den Auftrag nicht zum Erlöschen; für während der Suspendierung auftragsgemäß erbrachte Leistungen steht dem Rechtsanwalt ein angemessenes Entgelt zu
RAO, §§ 1002 ff ABGB, §§ 1165 ff ABGB, § 1486 ABGB
GZ 1 Ob 220/08x, 30.06.2009
OGH: Der Vertrag zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Klienten hat in der Regel die entgeltliche Besorgung von Geschäften (Rechtsgeschäften, Rechtshandlungen, Prozessführung etc) in Vertretung des Klienten zum Gegenstand und ist ein Bevollmächtigungsvertrag, somit ein mit Vollmacht gekoppelter Auftrag. Auf den Vertrag des Rechtsanwalts, der zum Personenkreis des § 1003 ABGB zählt, mit seinem Klienten sind nach herrschender Auffassung primär die Normen der RAO und subsidiär jene des 22. Hauptstücks des ABGB anzuwenden. Die Forderung des Rechtsanwalts auf Entlohnung seiner Leistungen und Ersatz seiner Auslagen verjährt gem § 1486 Z 6 ABGB in drei Jahren. Für den Beginn der Verjährung ist die Beendigung des Auftragsverhältnisses in einer bestimmten Rechtssache maßgebend. Erbringt der Rechtsanwalt eine größere Zahl von Einzelleistungen und steht das Entgelt nicht von vornherein fest, wird das Honorar (in der Regel) erst mit Übermittlung der Honorarnote fällig, außer der Klient hat die Honorarforderung anerkannt oder auf deren Detaillierung verzichtet. Der Beginn der Verjährungsfrist kann aber nicht beliebig hinausgezögert werden. Sie beginnt daher zu laufen, wenn die Rechnungslegung unter Einhaltung einer für die Erstellung der Rechnung angemessenen Frist objektiv möglich gewesen wäre. Diese Grundsätze gelten auch für die Honorarnote des Rechtsanwalts.
Das Mandat endet entweder mit der Erfüllung seines Zwecks oder aus anderen Gründen, wie dem Tod des Beauftragten, der Kündigung oder dem Widerruf. Mit der Beendigung wird das Entgelt fällig und beginnt die Verjährungsfrist zu laufen. Bei einer Dauervertretung können verschiedene Verjährungsfristen in Betracht kommen, wenn der ständig zugezogene Anwalt verschiedene Causen zu erledigen hatte, die in keinem inneren Zusammenhang miteinander stehen. Für den Honoraranspruch in jedem dieser Vertragsverhältnisse läuft dann eine eigene Verjährungsfrist, die mit Beendigung des Auftragsverhältnisses in der einzelnen Rechtssache beginnt. Solange der Anwalt noch in die Lage kommen kann, pflichtgemäß im Interesse seines Klienten in dieser Rechtssache tätig zu werden, ist das Mandatsverhältnis nicht erloschen und daher auch die Fälligkeit des Honoraranspruchs nicht eingetreten. Dies gilt für die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung. Gem § 34 RAO ruht die Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft ua bei Untersagung ihrer Ausübung im Rahmen eines Disziplinarverfahrens. Dies ändert aber nichts an der Zugehörigkeit zur Rechtsanwaltsgemeinschaft, was auch für die Untersagung der Ausübung als einstweilige Maßnahme gem § 19 Abs 3 Z 1 lit d DSt gilt. Die bloße Tatsache der Suspendierung eines Rechtsanwalts bringt die Vollmacht und den Auftrag nicht zum Erlöschen. Sie bewirkt lediglich, dass dem betreffenden Rechtsanwalt ua der Gebrauch der ihm erteilten Vollmachten unter der Sanktion der Streichung von der Liste der Rechtsanwälte untersagt wird.
Auftrag und Vollmacht eines Rechtsanwalts sind daher durch die vorläufige Suspendierung keineswegs als "hinfällig anzusehen", ohne dass es dazu ausdrücklicher Erklärungen des Rechtsanwalts oder des Mandanten bedürfe. Gerade bei einer vorläufigen Suspendierung kann der Rechtsanwalt bei deren Aufhebung - wie hier - wieder "in die Lage kommen", Vertretungshandlungen als Rechtsanwalt für seinen Mandanten, der das Vollmachts- und Auftragsverhältnis nicht gelöst hat, zu setzen. Die vorläufige Suspendierung des Gemeinschuldners hat daher nicht per se zur Beendigung der ihm erteilten Aufträge und Vollmachten und daher auch nicht zum Beginn des Laufs der Verjährungsfrist für sein Honorar geführt.
Zum Entlohnungsanspruch des Rechtsanwalts während aufrechter Suspendierung:Für während der Suspendierung auftragsgemäß erbrachte Leistungen steht dem Rechtsanwalt, weil Unentgeltlichkeit nicht anzunehmen ist, ein angemessenes Entgelt zu. Zur Ermittlung des angemessenen Entgelts für rechtsanwaltliche Leistungen ist der Rechtsanwaltstarif heranzuziehen. Die Suspendierung eines Rechtsanwalts für sich allein führt nicht dazu, dass trotz Suspendierung auftragsgemäß erbrachte Rechtsanwaltsleistungen anders - insbesondere geringer - zu honorieren wären.