17.09.2009 Zivilrecht

OGH: Rechtsschutzversicherung - zum Eintritt des Versicherungsfalls sowie zur Deckungsablehnung

Dem Rechtsschutzversicherer ist es verwehrt, sich bei der Deckungsablehnung auf Argumente zu berufen, die erst im Haftpflichtprozess unter Beweis zu stellen sind


Schlagworte: Versicherungsrecht, Rechtsschutzversicherung, Eintritt des Versicherungsfalls, Deckungsablehnung
Gesetze:

Art 2 ARB 1994, Art 9 ARB 1994, Art 8 ARB 1994, § 6 VersVG

GZ 7 Ob 236/08v, 08.07.2009

OGH: Für den Eintritt des Versicherungsfalls in der Rechtsschutzversicherung bedarf es nach stRsp eines gesetz- oder vertragswidrigen Verhaltens eines Beteiligten, das als solches nicht sofort und ohne weiteres nach außen zu dringen braucht. Ein Verstoß ist ein tatsächlicher, objektiv feststellbarer Vorgang, der immer dann, wenn er wirklich vorliegt oder ernsthaft behauptet wird, den Keim eines Rechtskonflikts in sich trägt, der zur Aufwendung von Rechtskosten führen kann. Damit beginnt sich die vom Rechtsschutzversicherer übernommene Gefahr konkret zu verwirklichen. Es kommt nicht darauf an, ob der Handelnde sich des Verstoßes bewusst oder infolge von Fahrlässigkeit oder auch unverschuldet nicht bewusst war. Es soll sich um einen möglichst eindeutig bestimmbaren Vorgang handeln, der in seiner Konflikt auslösenden Bedeutung für alle Beteiligten, wenn auch erst nachträglich, erkennbar ist. Es kommt weder auf den Zeitpunkt an, zu dem die Beteiligten vom Verstoß Kenntnis erlangten, noch darauf, wann aufgrund des Verstoßes Ansprüche geltend gemacht oder abgewehrt werden.

Ist kein einheitliches Verstoßverhalten des Schädigers erkennbar, handelt es sich bei den einzelnen schädigenden Verhaltensweisen jeweils um einen rechtlich selbständigen neuen Verstoß. Die Beweislast für den Eintritt des Versicherungsfalls im versicherten Zeitraum trifft den Versicherungsnehmer. War nach der Sachlage schon beim ersten Verstoß mit weiteren gleichartigen Verstößen zu rechnen, liegen in der Regel nicht mehrere selbständige Verstöße, sondern ein einheitlicher Verstoß im Rechtssinn vor. Dies kann sowohl bei vorsätzlichen Verstößen der Fall sein, bei denen der Wille des Handelnden von Vornherein den Gesamterfolg umfasst und auf dessen "stoßweise Verwirklichung" durch mehrere gleichartige Einzelhandlungen gerichtet ist, wie auch bei Fällen gleichartiger fahrlässiger Verstöße, die unter wiederholter Außerachtlassung derselben Pflichtenlage begangen werden.

Dem Rechtsschutzversicherer ist es nach stRsp verwehrt, sich bei der Deckungsablehnung auf Argumente zu berufen, die erst im Haftpflichtprozess unter Beweis zu stellen sind. Es muss daher im Deckungsprozess, wenn im "Haftpflichtprozess" (zu deckenden Prozess) reine Tatfragen strittig sein werden, grundsätzlich damit sein Bewenden haben, die im "Haftpflichtprozess" (hier: zu deckender Vorprozess) anzubietenden Beweismittel einer Prüfung zu unterziehen, ob sie grundsätzlich geeignet sind, dem Kläger im "Haftpflichtprozess" zum Erfolg zu verhelfen, wobei sie aber grundsätzlich nicht bereits im Deckungsprozess aufzunehmen sind. Dies gilt insbesondere für jene Beweismittel, die in einem hohen Maß der richterlichen Würdigung unterliegen, wie dies bei Zeugen- und Parteiaussagen und Sachverständigengutachten der Fall ist.

Das Erstgericht hat zutreffend erkannt, dass der Versicherer zwar nach Art 9 Punkt 2 ARB jederzeit berechtigt ist, die Erfolgsaussichten zu prüfen, gem Art 9 Punkt 4 ARB aber die Kosten, die bis zum Zeitpunkt der Mitteilung der Deckungsablehnung bereits aufgelaufen sind, jedenfalls zu tragen hat, sofern die Voraussetzungen des Versicherungsschutzes vorliegen.