OGH: Zur Sonderrechtsfähigkeit von unterirdischen Räumen nach § 300 ABGB
Eine selbständige Verbücherung ist nur möglich, wenn der Keller - von bloßen Hilfseinrichtungen wie Entlüftungsschächten abgesehen - nicht über die Oberfläche des Grundstücks hinausragt
§ 300 ABGB
GZ 5 Ob 99/09k, 09.06.2009
OGH: In Belassungsabsicht errichtete Gebäude gelten gem § 297 ABGB grundsätzlich als unselbständiger Bestandteil einer Liegenschaft und teilen deren rechtliches Schicksal. Davon abweichend können aber unter der Oberfläche einer Liegenschaft befindliche, nicht als Fundament eines Gebäudes dienende Presshäuser, Keller und auch Tiefgaragen als selbständige unbewegliche Sachen gesehen und als eigene Grundbuchskörper behandelt werden.
Grundlage für die Verbücherung eines Kellerraums als eigener Grundbuchskörper war bisher das Hofkanzleidekret vom 2. Juli 1832, Zahl 14, 236. Regierungsverordnung vom 19. Juli 1832, Zahl 38, 961 über den Bestand der Keller-Grundbücher. Diese Bestimmung steht nach dem 1. BRBG, BGBl I 191/1999, noch befristet bis 31. Dezember 2009 in Kraft. Seit 1. Jänner 2009 ist die Sonderrechtsfähigkeit von unterirdischen Räumen nach § 300 ABGB idF BGBl I 100/2008 zu beurteilen, wonach an Räumen und Bauwerken, die sich unter der Erdoberfläche der Liegenschaft eines anderen befinden und nicht der Fundamentierung von über der Erdoberfläche errichteten Bauwerken dienen, wie Kellern, Tiefgaragen und industriellen oder wirtschaftlichen Zwecken gewidmeten Stollen, mit Einwilligung des Liegenschaftseigentümers gesondert Eigentum begründet werden. Nach den Gesetzesmaterialien soll mit § 300 ABGB nF die durch das Hofkanzleidekret bewirkte Rechtslage über den 31. Dezember 2009 hinaus aufrecht erhalten werden, wobei sich seine Formulierung zur Wahrung der Rechtskontinuität an den in der einschlägigen Rechtsprechung des OGH verwendeten Formeln orientiere. Die in der Praxis derzeit wichtigsten Bauwerke, nämlich - abgesonderte und nicht der Fundamentierung dienende - Keller, Tiefgaragen und der industriellen Fertigung oder anderen wirtschaftlichen Zwecken gewidmete Stollen, seien im Gesetz der Klarheit wegen demonstrativ hervorgehoben. Es sei aber auch zulässig, Kellereigentum an anderen Bauwerken unter der Erdoberfläche zu begründen, so etwa an Eisenbahn- oder Straßentunneln.
Sowohl nach der Rechtsprechung des OGH als auch der Literatur ist eine selbständige Verbücherung nur möglich, wenn der Keller - von bloßen Hilfseinrichtungen wie Entlüftungsschächten abgesehen - nicht über die Oberfläche des Grundstücks hinausragt, zumal der Grundeigentümer sonst die Oberfläche seines Grundstücks nicht ohne Rücksicht auf den Keller nützen könnte.
Schon die Feststellung, dass das Poternengewölbe im Bereich der ostseitigen Außenmauer des Palais mit dem Gebäude verbunden ist und mit ihm (über der Erdoberfläche) eine bauliche Einheit darstellt, steht daher nach der stRsp seiner Eignung zum selbständigen Rechtsobjekt entgegen, ohne dass es auf die in der Revisionszulassung aufgeworfene Frage ankäme, in welchem Umfang das Kellergewölbe außerdem noch der Fundamentierung des Gebäudes dient.