30.07.2009 Zivilrecht

OGH: Schadenersatzrecht - Zurechenbarkeit des Schadens als Aspekt der Schadenminderungspflicht

Wenngleich die - teilweise auch an eine umfassende Interessenabwägung geknüpfte - Zurechenbarkeit des Schadens bisweilen als eigenes Haftungskriterium verstanden wurde, so handelt es sich dabei letztlich doch nur um einen Aspekt der Schadensminderungspflicht


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Bejahung der Adäquanz, dennoch keine Zurechnung der Schadensfolge zum Schädiger wenn sie auf einem selbständigen, durch den haftungsbegründenden Vorgang nicht herausgeforderten Entschluss des Klägers beruht, Aspekt der Schadenminderungspflicht, nur schuldhafte Verletzung der Schadenminderungspflicht führt zu Kürzung der Ansprüche des Geschädigten, Geschädigter muss die von ihm zu vertretende Schadenserhöhung tragen
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, § 1304 ABGB

GZ 2 Ob 205/08y, 20.5.2009

Der Kläger erlitt bei einem Verkehrsunfall eine nahezu völlige Lähmung des rechten Arms. Aufgrund dieser Verletzung war er nicht mehr in der Lage, seinen erlernten Beruf als Chemiearbeiter auszuüben. Nach einer Umschulung zum EDV-Techniker arbeitete er acht Jahre lang bei der I GmbH. Zuletzt war er Leiter der EDV-Abteilung. Er kündigte dieses Arbeitsverhältnis und gründete ein eigenes Unternehmen, welches im Jahr seiner Gründung ein negatives Ergebnis erzielte. Der Kläger begehrt nun von den für sämtliche zukünftige Schäden aus dem Unfall haftenden beklagten Parteien Ersatz seines Verdienstentgangs.

OGH: Nach der Rechtsprechung des OGH liegt ein adäquater Kausalzusammenhang auch dann vor, wenn eine weitere Ursache für den entstandenen Schaden dazu getreten ist und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge dieses Hinzutreten als wahrscheinlich zu erwarten ist, jedenfalls aber nicht außerhalb der menschlichen Erwartung liegt. Es kommt nur darauf an, ob nach den allgemeinen Kenntnissen und Erfahrungen das Hinzutreten der weiteren Ursache, wenn auch nicht gerade normal, so doch wenigstens nicht gerade außergewöhnlich ist. Besteht die weitere Ursache in einer Handlung des Verletzten selbst, ist die Adäquanz nur dann zu verneinen, wenn mit dem dadurch bedingten Geschehensablauf nach der Lebenserfahrung nicht zu rechnen war.

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die zur vorübergehenden Einkommenslosigkeit des Klägers führenden Vorgänge nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung lagen. Weder die Auflösung des Arbeitsverhältnisses wegen eines (wenn auch allenfalls nur subjektiv) als "unerträglich" empfundenen Arbeitsklimas, noch die Entscheidung, trotz der zu erwartenden Anlaufverluste ein eigenes Unternehmen zu gründen, machte den Geschehensablauf so außergewöhnlich, dass dessen Adäquanz in Frage gestellt werden müsste.

Die berufliche Neuorientierung des Klägers im Jahr 2005, die mit dem schädigenden Ereignis in einem adäquaten Kausalzusammenhang steht, bewirkte, dass sich der zunächst eingetretene Verdienstentgangsschaden vergrößert hat. Nach mehreren Entscheidungen des OGH ist trotz Bejahung der Adäquanz in solchen Fällen die Zurechnung dieser Schadensfolge nicht mehr gerechtfertigt, wenn diese auf einem selbständigen, durch den haftungsbegründenden Vorgang nicht herausgeforderten Entschluss des Klägers beruhte, der sie deshalb auch allein zu verantworten hat. Wenngleich die - teilweise auch an eine umfassende Interessenabwägung geknüpfte - Zurechenbarkeit des Schadens bisweilen als eigenes Haftungskriterium verstanden wurde, so handelt es sich dabei letztlich doch nur um einen Aspekt der Schadensminderungspflicht.

Ergibt sich doch aus § 1304 ABGB auch die Verpflichtung des Geschädigten, den (ohne sein Zutun) eingetretenen Schaden möglichst gering zu halten, wenn und soweit ihm ein entsprechendes Verhalten möglich und zumutbar ist. Nur eine schuldhafte Verletzung der Schadensminderungspflicht kann zur Kürzung der Ansprüche des Geschädigten führen, die sich aber im Regelfall nicht in einer quotenmäßigen Schadensteilung niederschlägt; der Geschädigte hat vielmehr die von ihm zu vertretende Schadenserhöhung allein zu tragen.