16.07.2009 Zivilrecht

OGH: Zur vermieterseitigen, eigenmächtigen Räumung der Bestandsache ohne Vorliegen eines rechtskräftigen Räumungstitels bei Vorliegen eines behördlichen Abtragungsauftrags

Ein gegen den Vermieter ergangener rechtskräftiger und vollstreckbarer behördlicher Abtragungsauftrag berechtigt diesen ohne Vorliegen eines entsprechenden Räumungstitels im Rahmen eines Exekutionsverfahrens nicht zur eigenmächtigen Räumung des Bestandsobjekts unter kostenpflichtiger Einlagerung der Fahrnisse des Bestandsnehmers


Schlagworte: Mietrecht, Räumung, Räumungsverpflichtung, Räumungstitel, Räumungsexekutionsverfahren, baupolizeilicher Auftrag, Abtragungsauftrag
Gesetze:

§ 1096 ABGB, § 1112 ABGB, § 19 ABGB

GZ 3 Ob 255/08h, 25.03.2009

OGH: Im Falle des Vorliegens eines behördlichen Abtragungsauftrags des Bestandobjekts hat dessen Bindungs- und Tatbestandswirkung das Erlöschen des Bestandvertrags iSd § 1112 ABGB erst dann zur Folge, wenn der Sachverhalt, aus dem sie sich ergibt endgültig gewährleistet ist. Ein solcher Abtragungsauftrag ändert an der Verpflichtung des Vermieters zur Verschaffung und Erhaltung des bedungenen Gebrauchs der Bestandsache gem § 1096 ABGB nichts.

Der an den Eigentümer gerichtete Abbruchbescheid kann nicht gegen den Mieter in Vollstreckung gesetzt werden. Selbst wenn der Mieter die Bestandsache seit Rechtskraft des Abbruchauftrags rechtswidrig (weil titellos) benutzt, stellt dieser Umstand für den Vermieter keinen Rechtfertigungsgrund für eine eigenmächtige Räumung des Bestandobjekts dar. Eine solche Räumung hat entweder nach den verwaltungsrechtlichen Vorschriften zu erfolgen, im Verhältnis Bestandgeber- und nehmer hingegen ist eine Räumung nur im Wege der gerichtlichen Räumungsexekution zulässig. Auch unter dem Gesichtspunkt des § 19 ABGB stellt das Vorliegen eines solchen Abbruchauftrags keinen derart schwerwiegenden Nachteil dar, der eine Selbsthilfe rechtfertigen würde.