04.06.2009 Zivilrecht

OGH: § 2 Abs 2 KHVG - Lenken eines PKW mit Willen des Halters; Anscheinsbeweis gelungen, wenn dieser am Beifahrersitz mitfährt

Der Umstand, dass der Halter eines KFZ am Beifahrersitz mitfuhr, spricht prima facie dafür, dass das versicherte Fahrzeug mit dem Willen des Halters gelenkt wurde, auch wenn der Lenker (hier infolge einer retrograden Amnesie des Halters) unbekannt ist


Schlagworte: Versicherungsrecht, Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, Schadenersatz, Haftung für den Lenker wenn das Fahrzeuges mit Willen des Halters gelenkt wurde, Halter fuhr am Beifahrersitz mit, Anscheinsbeweis
Gesetze:

§ 2 KHVG

GZ 7 Ob 289/08p, 30.03.2009

Ein Lenker, dessen Identität nicht festgestellt werden konnte, fuhr mit einem bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW, dessen Eigentümer und Halter der am Beifahrersitz mitfahrende Kläger war, mit 125 km/h im Ortsgebiet und verursachte einen Verkehrsunfall. Dadurch wurde Kläger schwer verletzt. Dieser begehrt von der Beklagten Schadenersatz aus der Haftpflichtversicherung.

OGH: Es steht fest, dass zum Unfallszeitpunkt ein unbekannter Dritter das bei der Beklagten haftpflichtversicherte Fahrzeug gelenkt hat, während der Kläger, der Versicherungsnehmer und Halter des PKW war, am Beifahrersitz saß. Mangels betreffenden Vorbringens blieb ungeprüft, ob der Lenker mit Willen des Halters, also des Klägers, bei der Verwendung des Fahrzeugs tätig war. Dieser Umstand ist entscheidungswesentlich, weil der unbekannte Lenker nur unter dieser Voraussetzung nach § 2 Abs 2 KHVG Mitversicherter war, was wiederum Voraussetzung für eine Haftung der Beklagten für die sogenannten unechten Eigenschäden des Klägers als Versicherungsnehmer und Halter des Fahrzeugs wäre. Ohne entsprechende Behauptung, dass der unbekannte Lenker das Fahrzeug jedenfalls mit Willen des Klägers gelenkt habe und daher berechtigter Lenker iSd § 2 Abs 2 KHVG gewesen sei, blieb die Klage unschlüssig.

Sollte der Kläger, um die Schlüssigkeit der Klage zu erreichen, eine entsprechende Behauptung aufstellen, stellt sich die Frage, ob der geschädigte Versicherungsnehmer oder der Haftpflichtversicherer dafür beweispflichtig ist, dass dem Lenker das Fahrzeug vom Halter bewusst überlassen wurde (und er demnach Mitversicherter war). Da jede Partei die von ihr zu behauptenden anspruchsbegründenden oder anspruchsvernichtenden Tatsachen zu beweisen hat und auch aus Überlegungen der Beweisnähe müsste die betreffende Beweispflicht - wie dies das Berufungsgericht angenommen hat - grundsätzlich beim Kläger liegen.

Der Ansicht des Berufungsgerichts, dieser habe seiner betreffenden Beweispflicht jedenfalls nicht genügt, steht allerdings die Überlegung entgegen, dass der Umstand, dass der Kläger am Beifahrersitz mitfuhr, doch prima facie dafür spricht, dass das versicherte Fahrzeug mit seinem Willen gelenkt wurde. Auch wenn Ausnahmefälle möglich sind, in denen der Halter von jemandem, dem er das Fahrzeug nicht anvertrauen will, gezwungen wird, mit ihm zu fahren, ist doch erfahrungsgemäß in aller Regel anzunehmen, dass der Lenker das Fahrzeug mit dem Willen des Halters, der als Beifahrer mitfährt, verwendet. Davon ist daher dem ersten Anschein nach auszugehen, auch wenn der Halter bei einem Unfall als Beifahrer verletzt wurde und - wie hier der Kläger - aufgrund einer retrograden Amnesie nicht in der Lage ist, darüber Auskunft zu geben, wer gefahren ist.

Unter der Voraussetzung der Behauptung des Klägers, der unbekannte Lenker sei nach § 2 Abs 2 KHVG ein berechtigter Lenker gewesen, wird es daher an der Beklagten liegen, den für diese Behauptung anzunehmenden Anscheinsbeweis durch die Behauptung und den Beweis von Umständen, die gegen diese Vermutung sprechen, zu widerlegen.