28.05.2009 Zivilrecht

OGH: Ersetzung der Zustimmung der Hälfteeigentümer gem § 834 ABGB

In die bei der Entscheidung über die beabsichtigte wichtige Veränderung vorzunehmende Abwägung der Gesamtinteressen der Eigentumsgemeinschaft hat auch eine angemessene Berücksichtigung der subjektiven Lage der einzelnen Teilhaber, also der persönlichen und familiären Verhältnisse und Bedürfnisse einzufließen


Schlagworte: Miteigentum, wichtige Veränderungen, abgeschwächtes Einstimmigkeitsprinzip
Gesetze:

§§ 834, 835 ABGB

GZ 5 Ob 8/09a, 03.03.2009

Der im Hälfteeigentum der Liegenschaft stehenden Antragsteller begehrte die Ersetzung der Zustimmung der Antragsgegner (als restliche Miteigentümer zu je einem Achtel [Erst- und Zweitantragsgegner] sowie einem Viertel [Drittantragsgegner]) zur gerichtlichen Aufkündigung der vom Drittantragsgegner gemieteten Wohnungen.

OGH: Eine wichtige Veränderung iSd § 834 ABGB ist (nicht nur der Abschluss, sondern auch) die Aufkündigung von Bestandverträgen mit Miteigentümern. Liegt Stimmengleichheit vor (§ 835 letzter Satz ABGB), dann hat der Außerstreitrichter sowohl in Sachen der ordentlichen Verwaltung als auch bei wichtigen Veränderungen nach den Bestimmungen des § 835 ABGB zu entscheiden. Gegenstand der richterlichen Beschlussfassung nach § 835 ABGB ist die Frage, ob die (wichtige) Veränderung ohne Einschränkung oder unter Bedingungen (Sicherstellung) bewilligt oder überhaupt abgelehnt wird. Diese Ermessensentscheidung hängt davon ab, ob die Veränderung offenbar (also eindeutig) vorteilhaft, bedenklich oder nachteilig ist. Ob dies der Fall ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls und vom Standpunkt der Gesamtheit aller Miteigentümer und nicht allein von jenem des Mehrheitseigentümers aus zu beurteilen. In die bei der Entscheidung über die beabsichtigte wichtige Veränderung vorzunehmende Abwägung der Gesamtinteressen der Eigentumsgemeinschaft hat auch eine angemessene Berücksichtigung der subjektiven Lage der einzelnen Teilhaber, also der persönlichen und familiären Verhältnisse und Bedürfnisse einzufließen. Das folgt schon aus der innerhalb eines Gemeinschaftsverhältnisses bestehenden Treuepflicht, die auch die Rücksichtnahme auf die Interessen der übrigen Teilhaber erfordert. Es kommt auch nicht nur auf finanzielle Interessen an; vielmehr sind die gesamten Umstände des Falles zu berücksichtigen; insbesondere auch ein persönliches (immaterielles) Interesse eines Miteigentümers am Weiterbestehen seiner Wohnmöglichkeit.

Der Außerstreitrichter hat auch die Entscheidung über die Genehmigung der Aufkündigung eines Minderheitseigentümers nach Ermessen danach zu fällen, ob die von der Mehrheit beschlossene (oder vorgesehene) Maßnahme offenbar vorteilhaft ist, zB wenn nach Räumung bessere Verwendungsaussichten für das Objekt bestehen und die Miteigentumsgemeinschaft dadurch höhere Mieteinnahmen erwarten kann. Zu einer aussichtslosen Kündigung eines Miteigentümers hat der Außerstreitrichter keine Ermächtigung zu erteilen; in diesem Fall kann eine Aufkündigung nicht vorteilhaft sein, weil dann eben die Maßnahme nicht nur nicht erfolgreich ist, sondern auch noch zur Belastung mit Prozesskosten führt. Die bloße Möglichkeit der Erfolglosigkeit der Aufkündigung rechtfertigt allerdings die Versagung der Genehmigung nicht. Die Genehmigungsfähigkeit wichtiger Änderungen stellt stets auf die Umstände des Einzelfalls ab. Die voraussichtlich erfolgreiche Kündigung eines Miteigentümers muss offenkundig vorteilhaft für die Gesamtheit der Miteigentümerschaft sein, weil die erfolgreiche Aufkündigung eines Mietvertrags mit einem weder säumigen noch sonst vertragswidrig agierenden Miteigentümer nicht gleichsam automatisch mit einem Vorteil für die Miteigentumsgemeinschaft gleichgesetzt werden kann.

Wird keine neuerliche Verwertung, also eine Vermietung an Dritte zu einem höheren Bestandzins angestrebt, sondern will man vielmehr von Mietrechte freie Wohnungen im Miteigentumsobjekt erreichen, dann führt dies zweifelsfrei unmittelbar dazu, dass die Miteigentümer keinen Mietzins einnehmen und die auf die Objekte entfallenden Betriebskosten tragen müssen. Dies führt daher - auch bei niedrigem Mietzins - grundsätzlich zu einem Nachteil der Miteigentumsgemeinschaft.