28.05.2009 Zivilrecht

OGH: Feststellung der Unwirksamkeit eines Vaterschaftsanerkenntnisses - zum Erfordernis der nachträglich eingetretenen Änderung des Kenntnisstandes des Antragstellers

Die nachträglich eingetretene Änderung des Kenntnisstands des Antragstellers über die gegen seine Vaterschaft sprechenden Umstände ist anders als in Ehelichkeitsbestreitungsfällen nicht nur für die Auslösung der materiell-rechtlichen Ausschlussfrist für die Antragstellung (früher: Klage) von Bedeutung, sondern tatbestandsmäßige Voraussetzung für die Anwendung des § 164 Abs 1 Z 3 lit b ABGB idF FamErbRÄG 2004


Schlagworte: Familienrecht, Kindschaftsrecht, Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses durch den Ankerkennenden, Erfordernis der nachträglich eingetretenen Änderung des Kenntnisstandes
Gesetze:

§ 164 ABGB

GZ 7 Ob 85/08p, 30.03.2009

Der Antragsteller hat mit der Mutter des im Jahre 1990 geborenen Antragsgegners in der empfängniskritischen Zeit geschlechtlich verkehrt und die außereheliche Vaterschaft zum Antragsgegner in der Folge anerkannt. Bereits in den Jahren 1990 und 1991 kamen ihm aufgrund von Aussagen einer dritten Person Zweifel in Bezug auf die Vaterschaft. Bei einem 2002 stattfindenden Treffen mit dem Antragsgegner fiel ihm überdies die fehlende physische Ähnlichkeit auf. 2007 stellte er schließlich einen Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses.

OGH: Nach der Rechtsprechung ist die nachträglich eingetretene Änderung des Kenntnisstands des Antragstellers über die gegen seine Vaterschaft sprechenden Umstände anders als in Ehelichkeitsbestreitungsfällen nicht nur für die Auslösung der materiell-rechtlichen Ausschlussfrist für die Antragstellung (früher: Klage) von Bedeutung, sondern tatbestandsmäßige Voraussetzung für die Anwendung des § 164 Abs 1 Z 3 lit b ABGB idF FamErbRÄG 2004. Ständiger Rechtsprechung entspricht es aber auch, dass die materiell-rechtliche Ausschlussfrist nach § 164 Abs 2 ABGB (bereits) mit der objektiven Möglichkeit einer erbbiologisch-anthropologischen Untersuchung zu laufen beginnt und durch einen durch eine dritte Person seinerzeit veranlassten Irrtum über die Klagsfrist nicht beseitigt werden kann.

Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller nicht einmal behauptet, nunmehr von neuen Tatsachen Kenntnis erlangt zu haben, die objektiv geeignet gewesen wären, (neue) Zweifel an seiner Vaterschaft zu erwecken. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hatte er vielmehr schon seit den Jahren 1990 oder 1991 Kenntnis davon, dass auch die Vaterschaft eines anderen Mannes mit zumindest gleich großer Wahrscheinlichkeit möglich war.

Nach herrschender Auffassung können neue, gegen die Vaterschaft des Anerkennenden sprechende Umstände zwar auch darin bestehen, dass die Glaubhaftmachung (von vornherein vorhandener, den Zweifel an der Vaterschaft begründender Tatsachen) erst nachträglich durch neue Beweismittel, so etwa durch eine DNA-Analyse, möglich wird. In einem solchen Fall beginnt aber nach stRsp des OGH die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 164b Satz 2 ABGB aF bzw des § 164 Abs 2 ABGB nF bereits mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem eine aussichtsreiche Beweisführung für die Vaterschaft eines anderen Mannes durch Einholung eines Gutachtens objektiv möglich ist.

Davon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht die Berechtigung des erst im Juni 2007 gestellten Antrags, der auch gar nicht mit neuen Erkenntnissen begründet wird, verneint hat. Es fehlt hier nämlich schon die tatbestandsmäßige Voraussetzung für die Anwendung des § 164b ABGB aF oder des § 164 Abs 1 Z 3 lit b ABGB nF iS einer nachträglich eingetretenen Änderung des Kenntnisstands des Antragstellers über die gegen seine Vaterschaft sprechenden Umstände. Weiters ist die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 164b Satz 2 ABGB aF oder des § 164 Abs 2 ABGB nF ohnehin längst abgelaufen, weil die Möglichkeit einer aussichtsreichen Beweisführung durch die beantragte "Einholung eines Abstammungs- insb DNA-Gutachtens" erst im vorliegenden Verfahren aufgegriffen wurde.