OGH: Zugesagtes risikoloses (tatsächlich jedoch risikoträchtiges) Umschuldungs- und Sanierungskonzept - Beginn der Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB
Eine bestimmte Kursentwicklung kann ein Indikator für die Risikoträchtigkeit einer bestimmten Anlageform sein; selbst bei früherer Erkennbarkeit des Schadenseintritts können Beschwichtigungsversuche dazu führen, dass dem Verjährungseinwand der beklagten Partei die Replik der Arglist entgegengehalten werden kann
§§ 1295 ff ABGB, § 1489 ABGB
GZ 6 Ob 103/08b, 07.07.2008
Die Kläger hatten 1994 einen Kredit bei der Sparkasse P***** über 1 Mio S aufgenommen, welcher 1999 mit 800.000 S aushaftete. Im Jahr 1999 erarbeitete ein Mitarbeiter der Beklagten mit den Klägern ein Umschuldungs- und Sanierungskonzept (Fremdwährungskredit, fondsgebundene Lebensversicherung: 20 Jahre Laufzeit). Der Mitarbeiter der beklagten Partei versicherte mehrmals, dass das geplante Finanzierungskonzept kein Risiko mit sich bringe. Tatsächlich war dieses Finanzierungsprojekt jedoch jedenfalls risikoträchtig.
OGH: Nach 7 Ob 253/97z liegt der den Lauf der Verjährungsfrist auslösende Primärschaden bereits darin, dass der Kunde kein wertstabiles, sondern ein Kursschwankungen unterliegendes Wertpapier erworben hat. Dies entspricht dem weiteren Schadensbegriff des ABGB, wonach jeder rechtliche Nachteil einen Schaden darstellt, somit jeder Zustand, an dem ein geringeres rechtliches Interesse als am bisherigen besteht. Demgemäß wäre es auch etwa ein Vermögensnachteil, wenn anstelle des Besitzes eines Bargeldbetrages eine gleich hohe Geldforderung getreten ist, es sei denn, der Schuldner wäre bereit und imstande, seine Verbindlichkeit unverzüglich abzutragen.
Entscheidend für den Lauf der Verjährungsfrist ist im vorliegenden Fall, zu welchem Zeitpunkt die Kläger erkannten, dass das Gesamtkonzept - entgegen der festgestellten Zusage der beklagten Partei - nicht risikolos war. Eine derartige Risikoträchtigkeit des Gesamtkonzepts lag jedenfalls dann vor, wenn sich dieses rein rechnerisch nicht mehr ohne zusätzliche Vermögensverminderung im Vergleich zur (herkömmlichen) Tilgung der Darlehen und Geldmittelbeschaffung vor dem Umschuldungs- und Finanzierungskonzept entwickeln konnte.
Ein nach Erkennen der Risikoträchtigkeit des gewählten Finanzierungskonzepts eintretender weiterer Schaden ist als bloßer Folgeschaden zu qualifizieren, dessen Verjährung gleichfalls mit der Kenntnis vom Eintritt des Erstschadens beginnt.
Der Lauf der Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB beginnt erst zu dem Zeitpunkt, zu dem der Geschädigte den Sachverhalt so weit kennt, dass er mit Aussicht auf Erfolg klagen kann. Die Kenntnis muss dabei den ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auch die Kenntnis des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Schaden und einem bestimmten, dem Schädiger anzulastenden Verhalten, in Fällen der Verschuldenshaftung daher auch jene Umstände, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt.
Eine bestimmte Kursentwicklung kann ein Indikator für die Risikoträchtigkeit einer bestimmten Anlageform sein. Allerdings ist zu beachten, dass der anspruchsbegründende Sachverhalt dem Geschädigten zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch so weit bekannt sein muss, dass er in der Lage ist, das zur Begründung seines Ersatzanspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten. Bloße Mutmaßungen über die angeführten Umstände reichen für die Auslösung der Verjährungsfrist nicht aus.
In diesem Zusammenhang werden insbesondere die festgestellten mehrfachen Beschwichtigungsversuche seitens der beklagten Partei zu berücksichtigen sein, zumal die Mitarbeiter der beklagten Partei aufgrund ihrer eigenen Berechnung noch im Jahr 2005 von der Erfolgsträchtigkeit der empfohlenen Finanzierungsform überzeugt waren und die Kläger weiterhin beruhigten. Zum einen kann dadurch auf der Tatsachenebene die Erkennbarkeit des Schadenseintritts und damit der Beginn der Verjährungsfrist hinausgeschoben werden. Zum anderen können jedoch selbst bei früherer Erkennbarkeit des Schadenseintritts derartige Beschwichtigungsversuche nach der Rechtsprechung dazu führen, dass dem Verjährungseinwand der beklagten Partei die Replik der Arglist entgegengehalten werden kann.