28.08.2008 Zivilrecht

OGH: Verwirkung der Unterhaltsansprüche gem § 68a Abs 3 EheG nach bereits eingetretener Zerrüttung der Ehe?

Wurden Verhaltensweisen des Unterhaltsberechtigten zu einem Zeitpunkt gesetzt, zu dem die Ehe der Parteien bereits unheilbar zerrüttet war, ist zu prüfen, ob der Unterhaltsberechtigte nicht seine Unterhaltsansprüche unter Berücksichtigung des Maßstabs des § 74 EheG verwirkt hat


Schlagworte: Familienrecht, Scheidung wegen Verschulden, Unterhalt, Verwirkung
Gesetze:

§ 68a EheG

GZ 6 Ob 108/08p, 05.06.2008

Es ist zwischen den Parteien nicht strittig, dass der Frau grundsätzlich ein Unterhaltsanspruch gegenüber dem Mann nach § 68a Abs 2 EheG zusteht. Strittig ist die Frage, ob die Frau nicht allenfalls nach bereits eingetretener Zerrüttung der Ehe der Parteien ihre Unterhaltsansprüche gem § 68a Abs 3 EheG verwirkt haben könnte.

OGH: Nach § 68a Abs 3 EheG vermindert sich oder besteht ein Unterhaltsanspruch nach Abs 1 und 2 nicht, soweit die Gewährung des Unterhalts ua deshalb unbillig wäre, weil der Bedürftige einseitig besonders schwerwiegende Eheverfehlungen begangen hat. Nach der Rechtsprechung des OGH steht diese Bestimmung insofern im Einklang mit § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB, als auch danach der gesetzliche Unterhaltsanspruch in besonders krassen Fällen erlischt, in denen dessen Geltendmachung angesichts des Verhaltens des - sonst - berechtigten Ehegatten grob unbillig erschiene. Nach beiden Gesetzesbestimmungen soll der Zuspruch von Unterhalt verhindert werden, wenn der Unterhaltsberechtigte eklatant gegen eheliche Gebote verstößt, und dieser Verstoß nach dem objektiven Gerechtigkeitsempfinden aller vernünftig denkender Menschen mit dem Zuspruch von Unterhalt unvereinbar ist.

Die Verwirkungstatbestände des § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB, des § 68a Abs 3 EheG und des § 74 EheG sollten an sich in ihrem Zusammenspiel ein durchgängiges Rechtsschutzsystem zugunsten von Unterhaltspflichtigen darstellen. Dieses soll dabei verhindern, dass ein (vormaliger) Ehegatte vom anderen die Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem (früheren) Eheverhältnis - also Unterhaltsleistungen - begehrt, obwohl er selbst nicht nur einzelne dieser Verpflichtungen hintansetzt, sondern sich schlechthin über alle Bindungen aus der (früheren) ehelichen Partnerschaft zu seinem persönlichen Eigennutzen hinwegzusetzen bereit ist. Dass die Frau die näher ausgeführten Verhaltensweisen zu einem Zeitpunkt gesetzt hat, zu dem die Ehe der Parteien bereits unheilbar zerrüttet war, entbindet daher entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts grundsätzlich nicht von der Prüfung der Frage, ob die Frau nicht ihre Unterhaltsansprüche unter Berücksichtigung des Maßstabs des § 74 EheG verwirkt hat; Voraussetzung für eine derartige Prüfung ist aber jedenfalls die Herbeiführung der Zerrüttung durch den an sich unterhaltspflichtigen Mann. Es ist herrschende Auffassung, dass etwa Beleidigungen und Beschimpfungen, aber auch verhältnismäßig geringfügige Verstöße gegen eheliche Verhaltensweisen und -gebote nicht Grund für den Verlust des Unterhaltsanspruchs sein können.