OGH: Ärztlicher Behandlungsfehler führte zu keinem Mehr an Schmerzen - Schmerzengeld?
Hat ein Behandlungsfehler nur ein Maß an körperlichen Schmerzen verursacht, das mit dem im Fall sachgerechter Behandlung identisch ist, hat der rechtswidrig Handelnde für den Schaden nicht einzustehen; er haftet nur für ein Mehr an Schmerzen
§§ 1295 ff ABGB
GZ 4 Ob 78/08m, 10.06.2008
OGH: Es steht fest, dass in jedem Fall eine Entbindung stattfinden musste und die Klägerin - es kam zu einer schwierigen Spontangeburt - zufolge Nichtvornahme des indizierten Kaiserschnitts nicht mehr Schmerzen erdulden musste, als sie im Fall einer von Anfang an geplanten Entbindung mittels Kaiserschnitts hätte erleiden müssen. Die Klägerin hätte demnach bei rechtmäßigem Alternativverhalten des Beklagten die gleichen körperlichen Schmerzen wie bei der konkreten Behandlung gelitten. Damit hat der Behandlungsfehler des Beklagten aber nur ein Maß an körperlichen Schmerzen verursacht, das mit dem im Fall sachgerechter Behandlung identisch ist. Bei dieser Sachlage hat der rechtswidrig Handelnde nach herrschender Auffassung für den Schaden nicht einzustehen. Er haftete nur für ein Mehr an Schmerzen.
Das Berufungsgericht hat einen Verdienstentgang der Klägerin mit der Begründung verneint, es handle sich um einen mittelbaren Schaden, den der Beklagte nicht zu ersetzen habe. Die Klägerin verweist zutreffend auf den Behandlungsvertrag. Als Vertragspartnerin des Arztes sei sie auch in ihren finanziellen Interessen geschützt. Dem ist zuzustimmen.
Von einem mittelbaren Schaden wird dann gesprochen, wenn der Schaden außerhalb des Schutzzwecks der übertretenen Norm (oder des verletzten Vertrags) liegt. Dies wird insbesondere für Reflexschäden vertreten, die - wie etwa in den Stromkabelfällen - als Seitenwirkung bei einem Dritten eintreten. Von diesen Fällen unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt grundlegend. Zweck des Behandlungsvertrags war die fachgerechte Aufklärung, Beratung und Betreuung der Klägerin vor und bei der Geburt, um körperliche Schäden - und daraus allenfalls resultierende Vermögensschäden - von Mutter und Kind zu vermeiden. Dabei wird die Hintanhaltung eines Verdienstentgangs, den die Vertragspartnerin des Arztes deshalb erleidet, weil sie den Wiedereinstieg in ihren Beruf zwecks Pflege des durch einen Behandlungsfehler des Arztes behinderten Kindes verschieben muss, vom Zweck des Behandlungsvertrags gleichfalls erfasst. Der der Zweitklägerin aus der Vertragsverletzung entstandene Nachteil ist somit nach den hier maßgebenden Umständen kein mittelbarer Schaden.