OGH: Schwere Eheverfehlung wegen berufsbedingtem Auslandsaufenthalt?
Die zunehmende Globalisierung und verstärkte Mobilisierung von Arbeitnehmern - insbesondere bei technischen Berufen -, aber jedenfalls der sonst drohende Verlust einer Erwerbsmöglichkeit kann eine berufsbedingte lange Abwesenheit eines Ehegatten vom inländischen Familienwohnsitz in einem milderen Licht erscheinen lassen oder sogar rechtfertigen
§ 49 EheG
GZ 1 Ob 30/08f, 06.05.2008
Der Kläger hielt sich wiederholt berufsbedingt für längere Zeit im Ausland auf. Im Sommer und Herbst 2005 war die Beklagte vom Tod ihres Vaters und ihrer Erkrankung an einem gynäkologischen Tumor betroffen. Der Kläger kehrte nach einem vorübergehenden Aufenthalt in Österreich wieder nach Indien an seinen Arbeitsort zurück. Anfang Dezember 2005 teilte die Beklagte dem Kläger per E-Mail mit, dass sie den Entschluss gefasst habe, sich scheiden zu lassen.
Die Revision wendet sich gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach der berufliche Auslandseinsatz des Klägers eine schwere Eheverfehlung darstelle.
OGH: Eine übermäßige Zuwendung zum Beruf und ein damit verbundenes häufiges Alleinlassen des Ehegatten kann grundsätzlich eine schwere Eheverfehlung darstellen. Jeder Ehegatte ist verpflichtet, seine Berufsarbeit so einzuteilen und sich in seiner von berechtigtem Erwerbsstreben und beruflichem Ehrgeiz getragenen Berufsausübung so einzuschränken, dass auch die Belange des anderen Ehegatten und der Familie gewahrt bleiben. Diese Grundsätze können aber dort nicht mit voller Schärfe angewendet werden, wo ein stärkerer beruflicher Einsatz üblicher ist als in anderen Berufszweigen. Die zunehmende Globalisierung und verstärkte Mobilisierung von Arbeitnehmern - insbesondere bei technischen Berufen -, aber jedenfalls der sonst drohende Verlust einer Erwerbsmöglichkeit kann eine berufsbedingte lange Abwesenheit eines Ehegatten vom inländischen Familienwohnsitz in einem milderen Licht erscheinen lassen oder sogar rechtfertigen.