OGH: Auffallende Sorglosigkeit iSd § 2 NWG
Für die Beurteilung, ob dem Erwerber einer Liegenschaft auffallende Sorglosigkeit iSd § 2 NWG vorzuwerfen ist, kommt es ausschließlich auf sein Verhalten vor Einleitung des Notwegeverfahrens an
§ 2 NWG
GZ 8 Ob 15/08a, 03.04.2008
OGH: Gem § 2 NWG ist das Begehren um Einräumung eines Notwegs unzulässig, wenn der Vorteil des Notwegs nicht die Nachteile überwiegt, die durch denselben den zu belastenden Liegenschaften insgesamt erwachsen, ferner, wenn der Mangel der Wegeverbindung auf eine nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingetretene auffallende Sorglosigkeit des Grundeigentümers zurückzuführen ist. Die Verpflichtung zur Duldung eines Notwegs ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie die einzige Möglichkeit darstellt, wichtige Interessen des Antragstellers zu wahren. Das ergibt sich aus dem Grundsatz, dass die Bestimmungen des NWG einschränkend auszulegen sind.
Nach der neueren Rechtsprechung des OGH indiziert zwar der Erwerb einer Liegenschaft ohne vorherige Erkundigungen über allfällige Wegeverbindungen das Vorliegen auffallender Sorglosigkeit iSd § 2 NWG. Allerdings bilden entsprechende Erkundigungen keinen Selbstzweck. Eine auffallende Sorglosigkeit kann nur dann vorliegen, wenn der Erwerber durch die "Sicherung einer Kommunikation" oder durch Erkundigungen eine an die Stelle der Begründung eines Notwegs tretende zumutbare Alternative zur Herstellung einer die ordentliche Bewirtschaftung oder Benützung erst ermöglichenden Verbindung hätte in Erfahrung bringen können. Die bloße Kenntnis oder Nichtkenntnis des Eigentümers von einer Wegeverbindung ist für sich allein nicht ausschlaggebend. Jede Beurteilung in dieser Hinsicht hängt letztlich von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab.
Dass der Erwerber entsprechende Erkundigungen nicht eingeholt hat, könnte allerdings dann nicht als auffallende Sorglosigkeit iSd § 2 NWG angelastet werden, wenn er behauptet und unter Beweis stellt, dass eine entsprechende Einigung an wirtschaftlich unrealistischen Vorstellungen des Eigentümers der zu belastenden Liegenschaft gescheitert wäre.
Das Verhalten des Erwerbers im Notwegeverfahren ist für die Entscheidung nicht von Bedeutung: Eine bereits verwirklichte auffallende Sorglosigkeit iSd § 2 NWG fällt durch erst im Verfahren gestellte "nachgebesserte" Anbote nicht weg. Andernfalls stünden dem Erwerber einer notwegebedürftigen Liegenschaft alle Spekulationsversuche offen: Er könnte zunächst auf die Annahme eines unangemessenen Anbots durch den Eigentümer der zu belastenden Liegenschaft hoffen und hätte bei Ausschlagen dieses Anbots immer noch die Möglichkeit, durch Stellung eines angemessenen Anbots erst im Notwegeverfahren den Vorwurf der auffallenden Sorglosigkeit zu entkräften. Für die Beurteilung, ob dem Erwerber einer Liegenschaft auffallende Sorglosigkeit iSd § 2 NWG vorzuwerfen ist, kommt es somit ausschließlich auf sein Verhalten vor Einleitung des Notwegeverfahrens an.