08.05.2008 Zivilrecht

OGH: Passive Klagslegitimation der Eigentümergemeinschaft

Bei der Erhaltung eines Servitutsweges, der eine Wohnungseigentumsanlage mit dem öffentlichen Wegenetz verbindet, handelt es sich um eine Angelegenheit der Verwaltung; Gleiches gilt für die Entfernung von Schnee, der im Zuge der Schneeräumung neben dem Weg auf dem dienenden Grundstück gelagert wurde; in beiden Fällen kommt der Eigentümergemeinschaft die passive Klagslegitimation zu


Schlagworte: Wohnungseigentumsrecht, Eigentümergemeinschaft, passive Klagslegitimation, Erhaltung eines Servitutsweges, Entfernung von Schnee
Gesetze:

§ 18 WEG

GZ 5 Ob 206/07s, 08.01.2008

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ *****, zu deren Gutsbestand ua das Weggrundstück 144/8 zählt. Über dieses Grundstück verläuft ein Dienstbarkeitsweg zur Liegenschaft EZ *****, auf welcher sich das Appartementhaus der beklagten Eigentümergemeinschaft befindet. Der Kläger begehrt einerseits den anteiligen Ersatz für am Dienstbarkeitsweg durchgeführte Sanierungsarbeiten sowie andererseits die Kosten für die Räumung von auf seinem Grundstück ohne seine Zustimmung von der Beklagten abgelagertem Schnee, der entfernt habe werden müssen, um im Frühjahr 2006 mit einem Bauvorhaben beginnen zu können. Zu den Kosten der Erhaltung des Dienstbarkeitswegs habe die beklagte Partei aufgrund des Dienstbarkeitsvertrags anteilsmäßig gem der tatsächlichen Inanspruchnahme beizutragen. Aufwendungen für die Erhaltung und Nutzung der Zufahrtsstraße seien der Verwaltung zugehörig, weshalb die Passivlegitimation der beklagten Partei vorliege.

OGH: Gem § 2 Abs 5 Satz 2 WEG bilden alle Wohnungseigentümer zur Verwaltung der Liegenschaft die Eigentümergemeinschaft; sie ist eine juristische Person mit Rechtsfähigkeit in dem durch § 18 Abs 1 und 2 WEG umschriebenen Umfang, also in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft, in denen sie Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen sowie klagen und geklagt werden kann. Seit der WRN 2006 regelt § 18 Abs 2 WEG ausdrücklich, dass die Wohnungseigentümer der Eigentümergemeinschaft aus ihrem Miteigentum erfließende Unterlassungsansprüche sowie die Liegenschaft betreffende Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche abtreten können, wodurch die Eigentümergemeinschaft diese Ansprüche erwirbt und in eigenem Namen geltend machen kann.

Das WEG 2002 folgt dem Konzept des § 13c Abs 1 WEG 1975 zur Quantität und Qualität der Rechtsfähigkeit, weshalb auf die dazu ergangene Judikatur zurückgegriffen werden kann. Die Rechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft besteht nur in Angelegenheiten der Liegenschaftsverwaltung. Außerhalb dieses Geschäftskreises kann sie weder Rechte erwerben noch Verbindlichkeiten eingehen. Verwaltungshandlungen für die Gemeinschaft der Miteigentümer sind einerseits von den bloßen Besitzhandlungen oder Gebrauchshandlungen der einzelnen Teilhaber, andererseits von den Verfügungen über das Gemeinschaftsgut oder einzelner Teile davon zu unterscheiden. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie gemeinschaftliches Vorgehen erfordern, weil es um die Interessen aller Gemeinschafter geht. Von den bloßen Besitzhandlungen oder Gebrauchshandlungen der einzelnen Miteigentümer heben sie sich insofern ab, als mit ihnen Geschäfte der Gemeinschaft besorgt werden, während die Abgrenzung zu den Verfügungen nach den Auswirkungen der Geschäftsführungsakte auf das gemeinschaftliche Gut bzw die Anteile der Miteigentümer vorzunehmen ist. Zur Verwaltung gehört alles, was gemeinschaftliche Interessen bei der Nutzung und Erhaltung des Gemeinschaftsguts fördern oder beeinträchtigen könnte; eine Verfügung greift in die Substanz der Gemeinschaftsrechte oder Anteilsrechte ein. Die Abgrenzung zwischen Verwaltungshandlungen und Verfügungen ist demnach nach den Auswirkungen auf das gemeinschaftliche Gut bzw die Anteile der Miteigentümer zu ziehen. Der (Wohnungs-)Eigentümergemeinschaft sind nicht Eigentümerrechte, sondern bloß Verwaltungsrechte zugeordnet. Die Parteifähigkeit der beklagten Eigentümergemeinschaft nach dem WEG kann aber schon dann nicht verneint werden, wenn sich der geltend gemachte Rechtsschutzanspruch wenigstens abstrakt mit den Verwaltungsagenden einer Eigentümergemeinschaft in Verbindung bringen lässt.

Im Sinne dieser allgemeinen Ausführungen wurde die Deliktshaftung der Eigentümergemeinschaft im Bereich des § 1319 ABGB bejaht. Der von den Miteigentümern einer Liegenschaft bestimmte gemeinsame Verwalter ist demnach befugt und verpflichtet, alle Maßnahmen, die zur Erhaltung und Verwaltung des gemeinsamen Guts dienen, zu besorgen, wobei Verwaltungshandlungen ebenso wie deren Unterlassung der (Wohnungs-)Eigentümergemeinschaft zuzurechnen sind. Nicht nur die Wegesicherungspflicht und die sich daraus ergebende Haftung nach § 1319a ABGB, sondern auch die Verpflichtung zur Erhaltung des Gebäudes und zur Abwendung von Gefahren iSd § 1319 ABGB wurde als Verwaltungsangelegenheit qualifiziert, für deren Unterlassung die (Wohnungs-)Eigentümergemeinschaft zu haften habe. Dagegen ist die (Wohnungs-)Eigentümergemeinschaft nicht berechtigt, auf das Eigentumsrecht ihrer Mitglieder gestützte Unterlassungsbegehren, also Eigentumsfreiheitsklagen zu erheben, weil die Durchsetzung petitorischer Rechtsschutzansprüche keine Angelegenheit der Verwaltung ist. Allerdings hat der OGH auch ausgesprochen, dass dies nicht für Fälle gilt, in denen die Aktivlegitimation der Eigentümergemeinschaft nicht ausschließlich auf den Rechtstitel des Eigentums gestützt wird, sondern ihre Sachlegitimation auch daraus resultiert, dass sie Verwaltungsrechte, die im konkreten Fall in der Freimachung eines Heizraums vor unberechtigter Inanspruchnahme durch Dritte lagen, wahrnehme. Dieser Anspruch der Eigentümergemeinschaft könne als ordentliche Verwaltungsmaßnahme durchgesetzt werden, wobei die Eigentümergemeinschaft keineswegs auf einen Feststellungsanspruch beschränkt, sondern auch berechtigt sei, die Freimachung und Freihaltung, etwa durch einen Räumungsanspruch, zu verfolgen. Als Verwaltungsgemeinschaft sei die Eigentümergemeinschaft jedenfalls hinsichtlich der notwendig allgemeinen Teile der Liegenschaft Besitzmittlerin für die Gesamtheit der Mit- und Wohnungseigentümer und habe die gesetzliche Zweckbestimmung solcher Liegenschaftsteile im Rahmen ihrer Verwaltungsaufgaben und Befugnisse zu gewährleisten. In diesem Sinne bejahte der OGH die Aktivlegitimation der Eigentümergemeinschaft zur klageweisen Geltendmachung einer Versicherungsleistung aus einem die Liegenschaft betreffenden Versicherungsvertrag, dessen Vertragspartner die Eigentümer der Liegenschaft waren, als im Rahmen der ordentlichen Verwaltung der Liegenschaft befindlich.

Soweit es im vorliegenden Fall um den Ersatz von Kosten für unberechtigt auf dem Grundstück des Klägers abgelagerten Schnee geht, handelt es sich unzweifelhaft um eine Haftung aufgrund einer Verwaltungsmaßnahme.

Bei der Bewirtschaftung bzw Erhaltung eines als Verbindung zum öffentlichen Wegenetz dienenden Servitutswegs handelt es sich um eine Angelegenheit, die in die Verwaltung der Liegenschaft, gleich jener der Verwaltung allgemeiner Teile der Liegenschaft fällt, weil erst dadurch die Liegenschaft selbst für Wohnzwecke benutzbar wird. In diesem Umfang kann daher die (Wohnungs-)Eigentümergemeinschaft wegen des Vorliegens einer Angelegenheit der Verwaltung iSd § 18 Abs 1 WEG auch in Anspruch genommen und geklagt werden.