OGH: Legalzession gem § 332 ASVG und Kongruenz
Allgemeine Ausführungen
§ 332 ASVG, §§ 1295 ff ABGB
GZ 2 Ob 190/07s, 15.11.2007
OGH: Auf Grund der in § 332 Abs 1 ASVG angeordneten Legalzession gehen Schadenersatzansprüche des Geschädigten bereits mit dem Eintritt des Versicherungsfalles schon zum Schädigungszeitpunkt auf den Sozialversicherungsträger in jenem Umfang über, als dieser sachlich und zeitlich kongruente Leistungen zu erbringen hat, während ein darüber hinausgehender Schadenersatzanspruch beim Geschädigten verbleibt. Damit tritt eine Trennung der Schicksale der dem Geschädigten zu seiner eigenen Geltendmachung verbliebenen Direktansprüche und der auf den Sozialversicherungsträger übergegangenen "Regressansprüche" ein. Entscheidend ist, ob ein Anspruch auf eine Sozialversicherungsleistung besteht. In diesem Ausmaß fehlt es dem Geschädigten gegenüber dem Schädiger an der Aktivlegitimation. Die sachliche Kongruenz als Voraussetzung für den Rechtsübergang ist gegeben, wenn der Ausgleichszweck des Sozialversicherungsanspruches mit jenem des Schadenersatzanspruches ident ist und beide Ansprüche daher darauf abzielen, denselben Schaden zu decken. Kommt es zur Legalzession eines kongruenten Anspruches, scheidet eine Minderung der Ersatzpflicht des Schädigers im Verhältnis zum Geschädigten im Rahmen des Vorteilsausgleiches oder einer Verletzung der Schadensminderungspflicht von vornherein aus.
Die Invaliditätspension ist zwar ebenso wie das Krankengeld sachlich kongruent im Verhältnis zum Verdienstentgangsanspruch eines Geschädigten, den der vor dem Unfall Notstandshilfe beziehende Kläger aber nicht geltend macht. Schon mangels sachlicher Kongruenz zu dem Anspruch auf Ersatz der Pflegekosten würde hinsichtlich der Invaliditätspension bzw des Krankengeldes ein Rechtsübergang an die Pensionsversicherungsanstalt als Sozialversicherungsträger ausscheiden.
Im Gegensatz zur Invaliditätspension ist das Pflegegeld sachlich kongruent zu dem Anspruch auf Ersatz der Pflegekosten.
Die mangelnde Aktivlegitimation des Geschädigten infolge einer Legalzession zu Gunsten des Sozialversicherungsträgers oder des Trägers der Sozialhilfe ist im Direktprozess gegen den ersatzpflichtigen Schädiger nicht von Amts wegen, sondern als Frage des materiellen Rechtes nur auf Grund einer Einwendung des Beklagten zu berücksichtigen; dieser hat Tatsachen vorzubringen, aus denen sich in rechtlicher Beurteilung der Mangel der Sachlegitimation ergibt.
Lehre und Judikatur stellen beim Vorteilsausgleich auf die besondere Art des erlangten Vorteiles und den Zweck der Leistung des Dritten ab. Die Anrechnung eines Vorteiles muss dem Zweck des Schadenersatzes entsprechen und soll nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers führen. Bei der - sachlich inkongruenten und deshalb die Legalzession ausschließenden - Notstandshilfe und vergleichbaren Leistungen lehnt der OGH in stRsp eine Vorteilsanrechnung auf den vom Schädiger zu ersetzenden Verdienstentgang ab. Beim Pflegegeld findet eine Vorteilsanrechnung auch dann nicht statt, wenn eine Legalzession trotz sachlicher Kongruenz nicht behauptet wurde.
Die Invaliditätspension wurde dem Kläger deshalb gewährt, weil er auf Grund der Unfallfolgen nicht mehr in der Lage war, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und ein Einkommen zu beziehen. Der Zweck dieser Leistung bestand somit nicht darin, den Aufwand für den Pflegebedarf zu decken. Diese Leistung des Sozialversicherungsträgers verfolgte nicht das Ziel, den Schädiger von seiner Verpflichtung zum Ersatz des pflegebedingten Mehraufwandes zu entlasten. Eine Vorteilsanrechnung ist daher auch bei dieser von der öffentlichen Hand gewährten Leistung abzulehnen, zumal die in diesem Punkt behauptungs- und beweispflichtigen Beklagten keinen besonderen Vorteil des Klägers durch den Bezug der Invaliditätspension im Vergleich zur hypothetischen finanziellen Situation des Klägers ohne das schädigende Ereignis aufgezeigt haben.