OGH: § 1319a ABGB gilt nur für die Haftung des Wegehalters gegenüber Benützern des Weges
Wer daher durch einen Weg (seine Anlagen, zB Stützmauern [§ 1319a Abs 2 ABGB]) geschädigt wird, ohne diesen, eine ihn kreuzende, unterführende Verkehrsfläche usw zu benutzen, kann Ersatz nach den allgemeinen und besonderen Vorschriften, auch den nach § 1319 ABGB verlangen
§ 1319 ABGB
GZ 10 Ob 27/07d, 06.11.2007
Die Beklagte ist Halterin und Eigentümerin der Bundesstraße 171 und deren Unterführung "A*****" in H*****. An seinem neunten Geburtstag am ***** 2003 begab sich der Kläger, der bei der Unterführung auf eine Mitschülerin wartete, - nicht von der Bundesstraße herkommend - auf den schneebedeckten, freizugänglichen Wiesenstreifen zwischen der Leitschiene auf der Bundesstraße und der Mauer des südseitigen Treppenaufgangs der Unterführung. Er formte einen Schneeball, rutschte aus, konnte sich noch kurz an der Mauer halten, die ohne Geländer war, ehe er drei Meter in die Tiefe stürzte, mit dem Gesicht auf den untersten Stufen aufschlug und sich dabei schwer verletzte.
OGH: § 1319a ABGB gilt nur für die Haftung des Wegehalters gegenüber Benützern des Weges. Wer daher durch einen Weg (seine Anlagen, zB Stützmauern [§ 1319a Abs 2 ABGB]) geschädigt wird, ohne diesen, eine ihn kreuzende, unterführende Verkehrsfläche usw zu benutzen, kann Ersatz nach den allgemeinen und besonderen Vorschriften, auch den nach § 1319 ABGB verlangen. Der Kläger wurde aber nicht bei der Benutzung des Weges (der Treppe zur Unterführung) geschädigt, sondern bei der Benutzung der zwischen der Bundesstraße und dem Treppenaufgang gelegenen Wiesenfläche, mag er auch auf den Mauerrand getreten sein. Dass eine Stützmauer ein "Werk" iSd § 1319 ABGB ist, wurde vom OGH bereits ausgesprochen.
Die Revisionswerberin wendet sich gegen die Annahme einer mangelhaften Beschaffenheit des Werkes und der Vorhersehbarkeit der Gefahr. Der OGH hat bereits ausgesprochen, dass zum Begriff der mangelhaften Beschaffenheit iSd § 1319 ABGB Analogie zulässig ist und jede Schadensverursachung durch typische Gefahren eines Werkes unter diese Bestimmung zu subsumieren sind. Um eine solche typische Gefahr handelt es sich aber, wenn auf der gegenüber dem angrenzenden Gelände nicht ausreichend hohen Mauerumrandung des Abgangs zu einer Straßenunterführung eine Absturzsicherung fehlt, insbesondere wenn selbst nur ein Teil der Umrandung, sei es auch nur bei entsprechender Schneelage niveaugleich mit dem angrenzenden Gelände ist.
§ 1319 ABGB stellt auf einen objektiven Sorgfaltsbegriff ab. Maßgeblich ist, welche Schutzvorkehrungen und Kontrollen ein sorgfältiger Eigentümer getroffen hätte. Die Verletzung der objektiv gebotenen Sorgfaltspflicht setzt aber jedenfalls die Erkennbarkeit oder doch Voraussehbarkeit der Gefahr voraus. Ob Erkennbarkeit oder Voraussehbarkeit der Gefahr gegeben ist, hängt ganz von den Umständen des Einzelfalls ab.