19.02.2008 Zivilrecht

OGH: Recht auf Licht und Luft gem § 476 Z 10 ABGB

Allgemeine Ausführungen


Schlagworte: Sachenrecht, verneinende Dienstbarkeit, Recht auf Licht und Luft
Gesetze:

§ 476 ABGB

GZ 6 Ob 278/06k, 12.12.2007

Die Beklagten errichteten in einem Abstand von wenigen Zentimetern vor der Hausmauer des Klägers eine Feuermauer. Den Zwischenraum füllten sie so mit Isoliermaterial, dass dieses bis zu ca 10 cm in die Fensteröffnungen hineinragt(e). Seither dringt durch die Fenster weder Licht noch Luft. Der Kläger begehrt mit seiner Klage, die Beklagten zur Wiederherstellung des Lichthofs, zur Wiederanbringung der historischen, nach außen aufgehenden Fensterflügel und zur Unterlassung jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftzufuhr durch den wiederherzustellenden Lichthof. Die Beklagten hätten durch den Umbau im Jahr 1999 die Jahrhunderte lang in Geltung gewesene nachbarrechtliche Regelung eigenmächtig und rechtswidrig gestört. Der Anspruch stütze sich auf das ersessene Recht auf Bezug von Luft und Licht durch den Lichthof.

OGH: Der Kläger stützt die Klagsansprüche ausschließlich auf die Ersitzung des Rechts, das die Eigentümer des Nachbargrundstücks zur Unterlassung verpflichtet, seinem Gebäude Licht und Luft zu nehmen. Die Behauptungs- und die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Ersitzung dieser verneinenden Hausdienstbarkeit (§ 476 Z 10 ABGB) trifft den Kläger als (behaupteter) Ersitzungsbesitzer. Er muss außer einer Besitzausübung, die nach Inhalt und Umfang dem zu erwerbenden Recht entspricht, nur noch die Vollendung der Ersitzungszeit beweisen, wobei es genügt, wenn der Bestand des Rechtsbesitzes am Beginn und Ende der Ersitzungszeit feststeht. Der Gegner hingegen ist vorerst nicht gehalten, ein Vorbringen zu erstatten, dass und weshalb die vom Kläger behaupteten anspruchsbegründenden Voraussetzungen nicht gegeben sind; seine Sache ist es lediglich, die rechtshemmenden oder rechtsvernichtenden Tatsachen vorzubringen, somit etwa ein die Ersitzung ausschließendes Verhältnis. Er hat einen in den Verlauf der Ersitzungszeit eingetretenen Verlust des Besitzes oder eine Unterbrechung der Ersitzung zu beweisen, ferner auch, dass der Besitz nicht redlich und (oder) echt gewesen ist oder die Absicht der Rechtsausübung überhaupt fehlte.

Die Auffassung des Revisionswerbers, die Dienstbarkeit gem § 476 Z 10 ABGB (gemeinhin fälschlicherweise "Fensterrecht" genannt; das Gesetz behält diese Bezeichnung in § 488 ABGB für das in § 475 Z 3 angeführte Recht vor, ein Fenster in der fremden Wand zu öffnen) werde nach dem ABGB durch den Bezug von Licht und Luft permanent und durchgehend ausgeübt, ist unzutreffend. Der bloße Bestand eines Fensters, das dem Nachbarn im eigenen Haus Luft und Licht verschafft, bedeutet an sich noch nicht den Besitz einer verneinenden Dienstbarkeit des § 476 ABGB (1 Ob 23/62). Aus dieser - auf älterer stRsp beruhender - Entscheidung, von der kein Anlass besteht abzugehen, ergibt sich ferner, dass das Recht auf Licht und Luft nicht dadurch erworben wird, dass Fenster in den Luftraum des Nachbarn geöffnet werden. Die Entscheidung billigt auch nicht die Ansicht der dortigen zweiten Instanz, dass die unbeanstandete Duldung der Benutzung von seit unvordenklicher Zeit bestehenden Fenstern in der Wand des Nachbarhauses, deren offenkundiger einziger Zweck nur der sein könne, Luft und Licht in dieses Haus einströmen zu lassen, eine stillschweigende Anerkennung bedeute.

§ 1471 ABGB gilt auch für Dienstbarkeiten, die nur selten ausgeübt werden können. Rechte im Sinn dieser Gesetzesstelle sind solche, bei denen Ausübungsakte nur in größeren zeitlichen Abständen und unregelmäßig wiederkehren. Gerade dies trifft - entgegen der Ansicht des Revisionswerbers - aber auf die hier strittige Dienstbarkeit zu. Aus § 1471 ABGB ergibt sich, dass ein Besitz, der nur anfangs faktisch ausgeübt wird, später aber nur noch im äußerlich nicht in Erscheinung tretenden Besitzwillen fortdauert (nach § 351 ABGB nicht zum Besitzverlust führend) für sich allein nicht zur Ersitzung hinreicht. Für die Ausübung von Rechtsbesitz ist es erforderlich, dass die Ausübung des Rechtsinhalts als Recht in Anspruch genommen wird. Es kann nur ein für den anderen Teil als Rechtsausübung erkennbares Verhalten zur Ersitzung führen. Für die Ausübung eines Verbotsrechts (zB einer verneinenden Dienstbarkeit) ist die ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung des Verbots, das der Gegner "achtet" oder dem der sich "gefügt hat" (§ 1459 ABGB), notwendig. Die Unterlassung muss Folge des ausgesprochenen Verbots sein, setzt aber nicht nur Verbotskenntnis, sondern auch Anlass zum Handeln (nämlich zu dem Verbote) voraus. Die theoretische Möglichkeit zur Ausübung des Rechts genügt also nicht. Da aber von vorneherein nicht gesagt werden kann, ob und wann Anlass bestehen wird, das Verbot auszusprechen, dem herrschenden Gebäude Licht und Luft zu nehmen, das Untersagungsrecht also wieder ausgeübt werden kann, ist die Dienstbarkeit nach § 460 Z 10 ABGB iSd obigen Definition ein selten ausübbares Recht, auch wenn theoretisch nicht selten Gelegenheit zur Rechtsausübung bestehen könnte.