OGH: Für die Frage, ob ein Lenker "die kraftfahrrechtliche Berechtigung besitzt, die für das Lenken des Fahrzeuges auf Straßen mit öffentlichem Verkehr vorgeschrieben ist", sind die führerscheinrechtlichen Vorschriften des Unfallortes maßgeblich
Art 5.2.1 der AKIB 2005, § 6 Abs 2 VersVG
In seinem Beschluss vom 29.08.2007 zur GZ 7 Ob 162/07k hat sich der OGH mit der Frage befasst, welche Bestimmungen für die Beurteilung der Lenkerberechtigung bei einem Unfall im Ausland unter dem Blickwinkel der Obliegenheit des Art 5.2.1 der AKIB 2005 ("Führerscheinklausel") maßgeblich sind:
Ein Kroate - mit Hauptwohnsitz in Österreich - verschuldete in Frankreich mit einem LKW einen Verkehrsunfall. Der Kläger hatte für den LKW bei der Beklagten eine KFZ-Kaskoversicherung abgeschlossen, der die "Allgemeinen Zürichbedingungen für die Kasko- und Insassenunfall-Versicherung (AKIB 2005)" zugrundegelegt wurden.
Deren Art 5.2.1 lautet: Als Obliegenheiten zur Verminderung der Gefahr oder zur Verhütung einer Erhöhung der Gefahr, deren Verletzung zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles den Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung befreit (§ 6 Abs 2 VersVG), wird bestimmt, dass der Lenker in jedem Fall die kraftfahrrechtliche Berechtigung besitzt, die für das Lenken des Fahrzeuges auf Straßen mit öffentlichem Verkehr vorgeschrieben ist; dies gilt auch dann, wenn das Fahrzeug nicht auf Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt wird.
Die Beklagte vertritt die Meinung, sie sei leistungsfrei, weil der Lenker zum Unfallszeitpunkt über keine "ausreichende kraftfahrrechtliche Berechtigung" verfügt habe; er sei lediglich im Besitz einer kroatischen Lenkerberechtigung und gem § 23 Abs 1 FSG daher nicht (mehr) berechtigt gewesen, Fahrzeuge mit österreichischem Kennzeichen in Österreich zu lenken. Auf Grund der mangelnden Lenkerberechtigung in Österreich sei auch von der mangelnden Lenkerberechtigung in Frankreich auszugehen, weil seit der zweiten Führerscheinrichtlinie (91/439/EWG) in allen EU-Mitgliedstaaten ein einheitliches Führerscheinrecht gelte.
Dazu der OGH: Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach den Regeln der Vertragsauslegung (§§ 914f ABGB) objektiv, unter Beschränkung auf ihren Wortlaut und stets unter Berücksichtigung ihres Zweckes so auszulegen, wie sie ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer verstehen musste, wobei Unklarheiten iSd § 915 ABGB zu Lasten des Versicherers gehen.
Davon ausgehend ist der Rechtsansicht der zweiten Instanz beizupflichten, dass dafür, ob ein Lenker "die kraftfahrrechtliche Berechtigung besitzt, die für das Lenken des Fahrzeuges auf Straßen mit öffentlichem Verkehr vorgeschrieben ist", nach dem Verständnis eines durchschnittlich versierten Versicherungsnehmers die führerscheinrechtlichen Vorschriften des Unfallortes maßgeblich sind. Bei Auslandsschäden verfügt demnach ein Lenker über eine entsprechende Lenkerberechtigung, dessen Fahrerlaubnis in dem fraglichen Land gültig ist.
Da Art 5.2.1 der AKIB 2005 keine für den Lenker des Fahrzeuges "in Österreich" vorgeschriebene Lenkerberechtigung fordert, ist bei einem Unfall im Ausland darauf abzustellen, ob der Lenker nach den Vorschriften des betreffenden Landes (hier Frankreich) eine entsprechende kraftfahrrechtliche Berechtigung besaß. Davon, dass dies nur gelten könne, wenn das Fahrzeug ausschließlich im Ausland gelenkt werde, kann entgegen der Ansicht der Beklagten ebenso keine Rede sein, wie davon, dass Versicherungsnehmer und Versicherer erst jeweils "eine entsprechende Rechtswahl" zu treffen hätten.